Mein persönliches Highlight: VOX - das perfekte Dinner

Wen es interessiert, wie ich die Produktionszeit des "perfekten Dinners" auf VOX erfahren wird hier fündig. Der Produktionszeitraum für die Sendewoche vom 05. bis 09. März war gleich zu Anfang des Jahres - also etwa acht Wochen vor der Sendung.

Mit meinem Gastgebertag am Freitag endet eine anstrengende Woche und vorerst auch dieser Blog. Zu einem Stern habe ich es zwar nicht gebracht, aber kochen, das hab ich gelernt.

Montag, 28. Juni 2010

38. Abschlussprüfung IHK

Nach nur sechs Monaten - völlig absurd. Falls irgendjemand denkt es handelt sich um mich, der täuscht sich.


Claudia, eine Freundin die in der Verwaltung eines benachbarten Landkreises arbeitet, hatte das zweifelhafte Vergnügen ihren Landrat bei der IHK- Abschlussprüfung der Köche und Gastronomiefachleute bei deren Schaukochen zu vertreten. Um dort nicht alleine erscheinen zu müssen, lud sich mich kurzerhand ein sie zu begleiten. Sie wusste von meiner jüngst erwachten Kochleidenschaft und meinte das könne mich bestimmt interessieren. Und ob. Zu melden hätte ich nix und gegessen würde, was auf den Tisch kommt. Ich bin dabei.


Drei Tage später hole ich sie ab und wir fahren zur Berufsfachschule für Köche und Gastronomiefachleute des benachbarten Landkreises. Das Schulgebäude, gleich welcher Art und welchen Alters, einem automatisch ein schlechtes Gewissen einhauchen und sich das Gefühl einschleicht, man hätte etwas angestellt oder wenigstens die Hausaufgaben vergessen, ist für mich unerklärlich. Nach einer kurzen Begrüßung werden wir in den Gastraum geführt, der noch immer den Charme der achtziger Jahre versprüht. Zum Ablauf: Sechs Köche bekochen sechs Tische, an denen jeweils sechs Gäste sitzen die von je zwei Kellnern bewirtet werden. Prüfungsstress pur. Als Gast hat man darauf zu achten es den Prüflingen nicht zu schwer zu machen, sich im Weinkonsum zurückzuhalten und nach Möglichkeit seine Meinung über die Leistungen der Prüflinge für sich zu behalten. Sechs Köche aus sechs Ausbildungsbetrieben der Region. Krankenhaus bis Gourmet, es ist alles dabei. Das Lotteriespiel beginnt. Freie Sitzwahl. Wer für wen kocht wird erst am Ende verraten und so nehmen wir Platz. Der Prüfling erhält einen sogenannten Warenkorb vier bis sechs Wochen vor der Prüfung. Dieser enthält regionale und saisonale Waren. Daraus ist ein Dreigangmenü, bestehend aus Vorspeise, Hauptspeise und Dessert zuzubereiten. Mögen die Spiele beginnen.
Unsere Serviceleute sind fit. Die Menüvorstellung läuft rund. Die Weinempfehlung passt, die Servicekräfte souverän. Claudia und ich lassen den nötigen Ernst missen. Der erste Gang – wie einfallsreich - Spargelcremsuppe. Erste Einschätzung: die Plörre ist zu dick. Ich glaube der Koch hat zudem vergessen die Spargeleinlage zu schneiden. Die nahezu ganzen Stangen lassen sich nur schwer mit dem Löffel in den Mund balancieren. Die kleinen schwarzen Punkte lassen darauf schließen, dass es sich um eine Spargelcremesuppe à la Brandenburg handelt; Fachjargon für angebrannt. Der Hauptgang: Fleisch an der Keule mit tourniertem Gemüse und Herzoginkartoffeln. Der Kellner hat seine liebe Not mit dem Brocken. Der Koch hat es sich einfach damit gemacht das Fleisch am Knochen zu garen. Keine weitere Arbeit. Die tournierten bzw. geschnitzten Gemüse lassen die nötige Feinheit vermissen. Kohlrabi in Form von Sichelmonden fand ich besonders innovativ. Die gespritzte Kartoffelmasse viel zu groß und innen noch pappig. Sättigung und Völlegefühl garantiert. Das Paar, das uns gegenüber sitzt ist hingerissen und steigert ihr Entzücken von Gang zu Gang. Als die Erdbeercreme, in die - wahrscheinlich mit einem Zahnstocher - kunstvolle Erdbeerschmierereien eingearbeitet worden sind, auf einem blauen Glasteller serviert wird, kann selbst die an unserem Tisch sitzende Prüferin nicht mehr an sich halten und meint trocken:" Irgendwie langweilig, finden sie nicht?" Wie mir Eingangs angeraten wurde, behalte ich meine Meinung für mich.
Unter tosendem Beifall treten nach Abschluss der Präsentation die Köche aus der Küche. Als hätte ich es geahnt, haben wir tatsächlich den Koch erwischt, der seine Ausbildung im hiesigen Krankhaus zum Abschluss bringen möchte. Außer Tüten aufreißen hat er nicht viel gelernt, so wie er selbst seine Kochkünste beschreibt.
Claudia und ich beschließen auf der Heimfahrt kurz einzukehren und noch einen Magenbitter zu uns zu nehmen. 

37. Ein ganz normaler Dienstag

Treffen um acht Uhr. Einkaufen in der Metro. Das erledigen die beiden Postenköche. Kampfshoppen. In 30 Minuten sind wir durch alle Regale geturnt. Ein halber "Riese" für Gemüse, Sahne, Eier und ein paar Fleischprodukte, die für Beilagen oder Fingerfood verwendet werden. Zähneknirschen in der Fischabteilung. Der Gardemanger kauft zwei Filets Makrele. "Makrele geht, der Rest ist heute Scheiße." raunzt er mir zu. "Der Hummer ist nicht schlecht, aber nicht zu vergleichen mit dem Kaisergranat, den Chef aus Belgien bekommt. Metro ist schon okay." "Tunfisch kommt nicht auf die Karte, hier herrscht Political Correctness." Das finde ich gut.


Zurück im Hotel geht alles ganz schnell. Der Hof steht voll mit Lieferfahrzeugen, Speditionsfahrzeugen, Wäschereiwagen und den hauseigenen Transportern. Nun heißt es auspacken und loslegen. Vorbereitungen für die ganze Woche. Am Samstag gehen alle Reste in die Tonne, am Dienstag wird neu produziert. Manche Dinge müssen auch täglich neu zubereitet werden, da diese sich nicht lange bevorraten lassen.


Noch bevor ich mir die Schürze richtig umgebunden habe, stehen schon zwei große Töpfe auf dem Herd. Der Gardemanger hat bereits zwei Vinaigrettes und zwei Pasten fertig, der Saucier ist am Zerlegen der schönen großen Fische und der Entremetier, schält, raspelt und blanchiert schon das Gemüse. Ein Tempo, das ich kaum einzuhalten vermag. 

Die Pfifferlinge sind mein Job und beschäftigen mich für mehr als zwei Stunden. Ich glaube, man überlässt mir diese Arbeit damit ich aus dem Weg bin und vor allem beschäftigt. Mir soll es recht sein so lange ich dabei beobachten kann.

Die Stimmung ist ausgelassen. In der Küche läuft "Hip Hop". Bis zum frühen Nachmittag sind die Schubladen wieder voll. Auf dem großen Herd stehen drei Fonds. Nun heißt es aufräumen. In zwei Stunden beginnt der Service. Ich schnappe mir gut gelaunt zwei große Styroporkisten und schütte mir mit gekonntem Schwung das gesamte Lagerwasser der Hummer in meine Schuhe. Schöne Scheiße.

Um neunzehn Uhr kommen die ersten Gäste. Die ersten Menüs werden abgerufen, eingeleitet mit den sogenannten "Apéros", den kleinen Häppchen zum Aperitif, den Amuse Bouche und dem eigentlichen Menü. Ein optisches Fest. Geschmacklich? Keine Ahnung. Die einzelnen Komponenten schmecken lecker, aber das Ganze bleibt mir, dem Küchenpraktikanten verschlossen. Anschließend Küche putzen, Bierchen trinken und um 23:00 ist Schluss.
Seit acht Stunden stinke ich wie ein ganzer Fischladen. Ich freue mich auf die nächsten Tage.

Sonntag, 27. Juni 2010

36. Wieso, weshalb, woher?



Der Guide Michelin, der Mercedes unter den Restaurantführern. Einst als französischer Tankstellenführer für Fernfahrer entworfen, gilt er heute weltweit als das Meisterwerk unter den kulinarischen Ratgebern. Nach welchen Kriterien die Sterne vergeben werden ist gewollt undurchsichtig. So heißt es, dass eine hervorragende Küche, die die Beachtung des Lesers verdient mit einem Michelinstern ausgezeichnet wird. Was auch immer das im Einzelnen bedeuten soll.
Bestimmt alles; nur nicht langweilig. Innovation in gewissem Rahmen, aber stets auf hohem oder höchstem - und vor allem - gleichbleibendem Niveau. Alle Ranglisten, alle Punkte oder Sternesysteme, Hauben oder Kochlöffel haben eines gemeinsam. Sie verlangen die Verwendung ausschließlich bester Rohstoffe bei höchster Qualität, die Erhaltung der Frische und eine fachgerechte Verarbeitung die in einem kulinarisch kreativem Feuerwerk für den Gast gipfeln möge. 

Ich bin der Erforschung dieser Geheimnisse nun einen ganzen Schritt näher gekommen. Wissen will ich, was diese Küche auszeichnet und worin sie sich vor allem von anderen Küchen unterscheidet und abhebt. Den direkten Vergleich bekomme ich im Schlosshotel Münchhausen unter einem Dach geboten. Der Schlosskeller, exzellente Gastronomie in rustikalem Ambiente, bodenständig deutsch - kein Stern. Das Gourmetrestaurant in durch und durch französischem Stil gehalten, "haute cuisine à la Française" mit mediterranen Zwischentönen - siebzehn Gault Miliau Punkte und ein Michelinstern. 



Die Speisekarte ist gespickt mit feinen regionalen und saisonalen Bestandteilen. Das "Was" ist in den Formulierungen schmackhaft und Interesse weckend, das "Wie" eher schlicht
gehalten. Die Anmutung minimalistisch chic; mir gefällt es. 

Erst seit wenigen Tagen unterstütze ich das Team der Gourmetküche mit meinem geringen Sachverstand. Unbändige Neugier. Ich verschlinge nahezu jedes Wort, jedes noch so schnell dahingefrotzelte Rezept. Neugierig schaue ich in alle Töpfe, alle Schubladen und frage jeden Postenkoch Löcher in den Bauch. Die Schubladen sind voll mit Vorbereitung. Tiegelchen, Tröpfchen und kleinste Gastronormbehälter mit Concassé, tournierten Möhrchen, fein geschnittenen Schalotten, Knoblauchpaste, Erbspüree, Paprikawürfelchen, eingelierten Jus, eingekochten Gewürzsaucen, Orangenfilet, feine Gemüsejulienne, Brunoise, Taubenbrüstchen, Rehfilets, Wachteleiern und und und. In der dritten Reihe eines Gewürzregals, nahezu unsichtbar lauert eine Überraschung. Mondamin und Instantbouillon. "Die sind für den Notfall und damit meine ich Notfälle!" bekomme ich zu hören. "Wie sieht so ein Notfall denn aus?" frage ich neugierig. "Ist doch klar, wenn du mit deiner Brühe nicht mehr hinkommst, Vorräte noch eingefroren sind oder ein Koch schlichtweg verpennt hat welche herzustellen. Willst du das Restaurant dann schließen bis du 'nen Huhn durchgekocht hast?" Ich verstehe. "Manchmal scheißt dir ne Soße auch einfach ab!" Ich denke ein Plan B ist durchaus zulässig. "Die Sachen findest du in jeder Küche. Der eine braucht sie mehr, der andere weniger. Da, wo ich als letztes war, wurde das ganze Gemüse in reichlich Instantbouillon blanchiert." Ein heikles Thema. Ich lasse die Fragerei. 



Dennoch interessiert mich wie man zu Convenience Produkten steht. Habe ich doch bei meinem letzten Praktikum kaum anderes gesehen und schreibt sich die Sternegastronomie doch auf die Fahnen den größten Weg zu Fuß zu gehen. Wo fängt Convenience an? Der Chefkoch holt eine Plastikschale mit Rosmarin aus einer Schublade. "Geschnitten, gewaschen, gezupft. Fertig für den Einsatz. Convenience, oder?" Schulterzuckend nicke ich. Man wird wohl differenzieren müssen. Tiefkühlerbsen für ein Erbspüree - ok. Instantpulver für Kartoffelbrei - nicht ok. Ist die Menge auch noch so groß, der Kartoffelbrei wird handgemacht. Ich hab es erlebt.


Der Sous Chef des Hauses nimmt mich bildlich gesprochen an die Hand. "Komm mal mit!" Wir machen eine Runde durch das Haus. "Siehst du die hier?" Wir stehen im Kühlhaus und er deutet auf ein paar Enten, die dort hängen. Ich erkenne das Geflügel sofort als jene Wasservögel weil noch alles dran ist. Zunächst ein befremdlicher Anblick. "Das sind Blutenten, die kommen direkt aus Frankreich." Er macht eine Geste mit Daumen und Zeigefinger. "Exzellentes Fleisch, das schmeckt man." Ich bin beeindruckt. "Oder hier." An einem Fleischerhaken hängt der Rücken eines Ochsen. Mehr oder weniger im Ganzen. "Fleisch muss reifen. Es wird von Tag zu Tag besser." Wir gehen weiter durch die Kühlhäuser und Lager. "Und wie sind die Sachen aus der Metro?" frage ich. "Da kaufen wir auch ein. Die Sachen sind ja nicht schlecht. Und das Sortiment ist groß, da bekommt man eigentlich fast alle Basics." "Und der Rest?" "Du meinst die Hauptsachen?" "Ja, Entschuldigung." "Den Fisch kriegen wir aus Belgien, für Geflügel und Fleisch hat Chef seine Lieferanten in Frankreich, USA und sonst wo her. Die Qualität muss stimmen." Das war es, was ich hören wollte.

Donnerstag, 24. Juni 2010

35. Trügerische Stille

"Guten Tag, ich bin verrückt und möchte hier arbeiten."  Kein Problem, kein Spind, normal! Ich verstaue, das was ich am Leibe habe in meiner Tasche, die Tasche unter den Schränken der Umkleide. Nun sehe ich wieder aus wie ein Koch. Bleibt abzuwarten, ob ich auch so arbeiten kann. Orientierungs- und hilflos lässt man mich irgendwo zwischen Umkleiden, Toiletten und Personalraum stehen. Ich erwarte ja gar nicht, dass man mir das Händchen hält, es scheint aber normal zu sein, dass man Neulinge erstmal sich selbst überlässt. Nun gut, ich werde meinen Weg schon finden. 

Ich finde den Boss in einem winzig kleinen Raum irgendwo hinten unten, zwischen Eiswürfelmaschinen und Mehllager. Das "Office" ist bis zur Decke vollgestopft mit Aktenordnern und Büchern. An einem Laptop sitzend, pflegt er seinen Facebookaccount. "Ich wäre soweit." sage ich. Er guckt mich kurz stumm an. "Benötigen Sie meine Papiere?" Sich vielleicht ein wenig wundernd, dass ich an alle nötigen Formalitäten gedacht habe, aber dann doch den Kopf schüttelnd. "Belehrung ist gut, den Rest brauchen wir nicht." "Aha" "Sozialversicherungsausweis ist nicht verkehrt, aber den müssen SIE mit sich führen. Ich zeige Ihnen wo es lang geht, kommen Sie." Das war es. Kein Vertrag, keine Papiere, keine unnötige Bürokratie. Hier wird es mir gefallen. Um allerdings versicherungstechnische eventuelle Einwände zu zerstreuen, lässt sich soviel dazu sagen, das alle nötigen rechtlichen Formalitäten zu einem späteren Zeitpunkt noch nachgeholt worden sind. 

Schnell muss ich erkennen, dass ich dieses Mal nicht ganz so getarnt in die Küche vorstoßen kann, wie bei meinem ersten Praktikum. Na gut, bleiben wir bei der Wahrheit und sagen wie es ist. Bis zum Ablauf des ersten Abends stelle ich fest, das mir dies viel mehr Möglichkeiten offenbart. Gute Möglichkeiten. Ich kann offiziell interviewen, darf Fotos machen und bekomme reichlich Hintergrundinformationen. In mir keimt ein Wunsch: möglichst lange hier bleiben. Doch was wird aus dem Hund.  Was mache ich nur mit ihm? Das wird wirklich zu einem Problem, doch darum kümmere ich mich später.

Schlossküche unten, Gourmetküche oben. Hier wird nichts vermischt. Nicht die Rohstoffe, nicht die Rezepte und schon gar nicht  das Personal. Außer dem Pattissier, den müssen sich die beiden offensichtlich teilen. Zumindest sah das so aus. Ich werde nachhaken.  Mein Zweitname muss für dieses Praktikum herhalten. Der ist im Internet noch jungfräulich. Schnell ist man beim Du. Das Team: Marcel - Gardemanger, Hanna - Entremetier, Aljoscha - Sous  Chef, Poissonnier, und Saucier. Ich bin freudig erregt. Er wird mein Ansprechpartner für Saucen und Fonds sein.  Ich, der Alte in der Mitte. Erster Job:  Hanna helfen. Pfifferlinge putzen. Das dauert und dauert  und zwar ewig. Hanna meinte, ich solle warten, bis sie mit dem Erbsenschälen anfinge, dann würde ich schon sehen, was ewig dauere. Die Stimmung ist ruhig. Man arbeitet konzentriert. Die Küche wird nicht von Lautstärke oder unsittlichen Kraftausdrücken beherrscht. Beim ersten Kaffeetrinken, die ersten Fragen. Anschließend Putzen. Auf dem Flattopherd simmert ein Fond. In zwei Stunden beginnt der Service. Die Brötchen und Backwaren werden zum Backen vorbereitet. Das Zwölfgang Amusebouchemenü steht. Zubereitungsverfahren werden modifiziert. 

Plötzlich Hektik. Schnell noch ein Gratin für zwölf. In zwei Minuten beginnt der Service. Alle packen mit an. Kartoffeln schälen, Broccoli putzen, blanchieren, Eiswasser, Einfüllen, garnieren, gratinieren. In Windeseile ist alles erledigt. 

Die ersten Gäste. 
"Apero für zwei!"

Mittwoch, 16. Juni 2010

34. Ein Meister fällt vom Himmel

Na das klappt ja alles schon ganz gut. Wieder einmal zieht ein Donnerstag an mir vorbei, an dem ich meine staunenden Gäste mit Kreationen großer Meister verblüffen konnte. Der nächste Termin steht bereits fest und ist schon wieder nahezu ausgebucht. Kein Wunder, wenn es umsonst etwas zu futtern gibt. 

Ein neuer Wunsch wird in mir wach. Aus Kochbüchern lernen ist ja alles schön und gut. Besser jedoch ist, wenn es jemanden gibt , der einem zeigt wie es geht. Ich denke ich bin reif für ein neues Praktikum. So begebe ich mich also auf die Suche nach einem Lehrer. Brötchen schmieren und Kindergartenverpflegung im großen Stile habe ich hinter mir. Ich will machen, ich will lernen und ich will sehen, wie es die großen machen. Da kommen bloß in meiner Stadt nicht allzu viele Restaurants in Frage, denn Spitzenköche sind hier rar. Nicht falsch verstehen, kulinarische Wunder kann man auch hier erleben, nur mangelt es an namhaften Spitzenköchen. Zudem ist es aber auch dann noch nicht gesagt, dass die in Frage kommenden so einen mittelalterlichen "Neunmalklug" in ihrer Küche so einfach mitwerkeln lassen. In dieser Nacht setze ich mich also an den Computer und verfasse eine Anfrage, die ich per Mail verschicken möchte. Noch während ich schreibe artet meine Anfrage mehr und mehr in eine Bewerbung aus. Ein Foto hinzu, ein Zeugnis beigefügt. Ich entschließe mich, die Idee mit der Email wieder fallen zu lassen und drucke alles auf hübsches weißes Papier aus und hefte alles in eine Mappe. Ich habe schon seit fünfzehn Jahren keine Bewerbung mehr geschrieben und noch während ich die Bewerbungen in die Umschläge stecke fühle ich mich wie ein kleiner dummer Junge. 

Ich finde drei Restaurants, zwei davon mit einem Michelinstern ausgezeichnet. Meinen persönlichen Favoriten habe ich auch schon. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Mitten in der Nacht gegen vier bin ich endlich fertig. Ich schnappe mir meinen Köter und gehe gleich zum Briefkasten. Ich kenne mich, wenn ich zu lange zögere oder gar anfange zu zweifeln, dann mache ich nie etwas aus meinen Träumen und Wünschen. 
Die Frage, wie ich ein weiteres Praktikum zeitlich bewerkstelligen werde, stellt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. 

Nach nur fünf Tagen bekomme ich einen Zweizeiler per Email mit dem sinngemäßen Inhalt: "Klaro, können Sie machen. Wenn Sie Bedarf haben, können wir uns auch vorab persönlich unterhalten." Äh, ja, gut! Ich bin baff. Mit einer solch spontanen Reaktion habe ich nicht gerechnet. Diese Chance lasse ich mir nicht entgehen, plane im Büro um, was ich terminlich über den Haufen werfen kann und vereinbare schon für die kommende Woche einen Termin. 

Nervös und aufgekratzt mache ich mich den folgenden Mittwoch auf den Weg. Ein Freund von mir meint es gut und wirft mir noch ein Sakko über. "Du musst doch schließlich ordentlich aussehen!" "Das muss doch wirklich nicht sein. Ich treffe mich doch dort nur zu einem Kennenlernen." "Papperlapapp, das ist ein Vorstellungsgespräch und da geht man gefälligst ordentlich hin." Na gut. Ich lasse mich überreden. Überpünktlich bin ich vor Ort. Mein Ansprechpartner und Chef allerdings nicht. Echt ein dusseliges Gefühl dort zu stehen, zu warten. Immer wieder wird man von den Empfangsmitarbeitern beäugt. Bin ich nun ein Gast, neues Personal oder ein Geschäftspartner? Man kann förmlich die Gedanken hören. Natürlich diplomatisch diskret, wie es sich für ein solch ein gutes Haus gehört. 

Keine Spur vom Maître de Cuisine. Ich frage nach. Man zuckt mit den Schultern, man telefoniert. "Ja, der ist hier…… Aha,….. Nein,….. So so,….Nein,.. ich glaube nicht. Er sieht zumindest nicht so aus, als könne er heute arbeiten?!" Sie wendet sich mir zu."Sie fangen heute an hier zu arbeiten??" "Äh nein,… ich bin von einem Gespräch ausgegangen." Ich bin verwirrt. Die Ader im Hals fängt an zu puckern. Overkill und overdressed. Ich sehe aus wie ein Dressman. Die Rezeptionistin schaut mich mit einem Blick an, den ich lieber nicht verstehen möchte. "Am besten sie sprechen kurz selbst mit ihm!" und hält mir den Hörer hin. "Hallo?" Ich entschuldige mich vielmals. "Ich bin wirklich nicht davon ausgegangen heute meinen Dienst hier zu beginnen, sondern zunächst von einem Kennenlerngespräch……" "Na das hätten wir auch telefonisch klären können." bekomme ich etwas mürrisch zur Antwort. "Melden sie sich wieder, wenn sie absehen können, wann ein günstiger Zeitpunkt für sie ist." bekomme ich noch kurz mit auf den Weg. "Lassen Sie sich noch die Küche zeigen und dann melden sie sich."

Wieder zu Hause angekommen versuche ich mir erstmal darüber klar zu werden, was da eigentlich passiert ist. Ist es nicht üblich neue Mitarbeiter vorerst kennenzulernen? Ist es nicht üblich sich vorab ein Bild zu machen, auf wen man sich da einlässt? Auch wenn ich mir nichts vorzuwerfen habe, ist mir dieses Missverständnis fürchterlich peinlich. 

Per Email mache ich den Vorschlag am folgenden Tag meinen Dienst zu beginnen, was mit einem sinngemäßen "Mir doch egal!" beantwortet wird. Und so kommt es, dass ich ein neues Praktikum in der Gourmetküche des Schlosshotel Münchhausen im Weserbergland unter der Leitung von Achim Schwekendiek beginne. Ein Michelinstern, siebzehn Gault Millau Punkte. Bon Appetit!

Montag, 14. Juni 2010

33. Alles auf Rezept

Nicht alles was mit Kochen zu tun hat, muss zwangsläufig in der Küche stattfinden. Es ist kaum zu glauben, dass ich in den letzten Monaten das Kochen erlernt habe und dabei meinen eigentlichen Job nicht gänzlich riskiert habe. Nun ja, zumindest allerdings beinahe. Hauptberuflich habe ich auf Knopfdruck kreativ zu sein. In der Küche gelingt mir das aber gar nicht.  Ohne Rezept läuft da nix. Gelingt es mir gerade noch Kartoffeln zu kochen, habe ich allerdings deutlich mehr Schwierigkeiten eine Kartoffelsuppe zuzubereiten. Was für eine Schmach. Woran das liegt? Ganz einfach. Bis jetzt habe ich mir zu keiner Sekunde Gedanken darüber gemacht mal ein Grundrezept auswendig zu lernen. Ich glaube ich knüpfe damit an die Fragestellung meines vorangegangenen Eintrags an. 

Ein Komponist hat seine Musik bereits im Ohr, noch bevor er sie niedergeschrieben hat. Ein Fotograf hat sein Bild vor Augen, bevor er es geschossen hat. Und ein Koch sollte bereits wissen, wie etwas schmeckt, noch bevor er die Zutaten in einen Topf geschmissen hat.  Die Kunst besteht darin, die eigene Vorstellungskraft für die Umwelt fühlbar zu machen. Und Kochen, ist die einzige Kunstform bei der wirklich alle Sinne eingesetzt werden. 

Ich bin nicht in der Lage etwas zu kochen, was ich nicht irgendwo abgeguckt habe, oder als Rezept nachkochen kann. Mir mangelt es an der nötigen Fantasie Zutaten koordiniert miteinander zu kombinieren und im Idealfall schon vorher zu wissen, wie es schmecken wird. 

Außerdem immer wieder diese Frage:"Was kochst'n gerne?" oder "Was kochst'n so?" Was soll ich denn da antworten? "Pochierte Heidschnucke im Kräutercrêpe mit Spinat und würziger Kalbsfarce." oder "Roastbeef im Niedrigtemperaturgarverfahren"? Beim "Kochduell", das eine Zeit lang auf einem privaten Sender ausgestrahlt wurde, würde ich gnadenlos durchrasseln. 

Damit ist nun Schluss. Heute ist ein schöner Tag. Im Park packe ich meine Rezeptkarten aus und lerne. Lerne, bis die Schwarte kracht. 
So long.

Freitag, 4. Juni 2010

32. Was is'n 'ne Prise?

Eine Prise Salz, eine Prise Zucker, ein Spritzer Zitronensaft ein Schuss Angostura, ein Hauch Vanille, eine Messerspitze hiervon einen Teelöffel davon. Mengenangaben ohne Maß. 

Was ist denn nun ein "Hauch" oder die Menge, die ein Teelöffel fasst?  Dank des Internets ist die Mengenangabe schnell gefunden. Ein gestrichener Teelöffel hat ein Fassungsvermögen von fünf Gramm Zucker. Drei Teelöffel passen in einen Esslöffel und acht Esslöffel entsprechen einer Tasse. 
Die Maßeinheit Tasse wiederum entspricht einhundertzwanzig Millilitern. Ich bin verwirrt. So werden schnell aus Gramm Milliliter. Wie dieses? Das Umrechnen von Maßeinheiten zuletzt im Physikunterricht gemacht. Moment, da waren Liter und Milliliter, Zentiliter und Zentimeter. Meter mal Meter mal Meter gleich Kubik. Ein Kubikmeter sind tausend Liter. Und wie viel Zentimeter passen nun in eine Tasse? 
Das Großhirn setzt aus. Es wird Zeit für eine Pause. Ich setze mich raus in die Sonne mit einer Tasse, gefüllt mit einhundertzwanzig Kubikzentimetern Kaffee. Ich verzichte auf den Teelöffel Zucker und trinke wie gewohnt mit Süßstoff. 

Es folgt ein Test. Ein Test mit mit zwei unterschiedlichen Löffeln aus meiner Küche. Schließlich muss ich ja auch damit kochen, bzw. abmessen. Der Vergleich zeigt, dass ein Teelöffel Zucker sowohl zwei Gramm, als auch vier Gramm sein können. Dies entspricht der doppelten Menge. Weit entfernt von fünf Gramm. Ein gestrichener großer Teelöffel Zucker sind zweikommafünf Gramm, ein gehäufter vier. 

Was aber, wenn in einem Kochrezept nur von Teelöffel ohne Zusatz von gehäuft oder gestrichen die Rede ist? Oder noch schlimmer ein Löffel ohne "T" oder "S"? 

Und es kommt noch ärger.  Antworten auf all meine Fragen finde ich unter www.rezepte.nit.at . Ein Prise ist die Menge, die zwischen zusammengedrücktem Daumen und Zeigefinger bleibt. Ein Schuss ist die Menge Flüssigkeit, die aus einer geöffneten Flasche kommt, wenn diese einmal rasch und kurz gekippt wird. Die Menge einer Messerspitze definiert die Menge an pulverisierten Zutaten, die auf der Spitzenseite eines spitzen Messers auf bis zu einem Zentimeter stehen bleibt, wenn das Messer durch das Pulver gezogen wird. 

Ich geb's auf. Mit der Zugabe von Zucker höre ich einfach kurz vorher auf, wenn das, was ich süßen möchte, zu süß wird. Mit Salz funktioniert das im Übrigen genau so, einfach vorher aufhören, bevor es zu salzig wird.

Nebenbei bemerkt. So manch ein Profikoch schafft eine ganze Schicht problemlos mit einer einzigen Messerspitze.