Mein persönliches Highlight: VOX - das perfekte Dinner

Wen es interessiert, wie ich die Produktionszeit des "perfekten Dinners" auf VOX erfahren wird hier fündig. Der Produktionszeitraum für die Sendewoche vom 05. bis 09. März war gleich zu Anfang des Jahres - also etwa acht Wochen vor der Sendung.

Mit meinem Gastgebertag am Freitag endet eine anstrengende Woche und vorerst auch dieser Blog. Zu einem Stern habe ich es zwar nicht gebracht, aber kochen, das hab ich gelernt.

Samstag, 31. Juli 2010

40. Ein lachendes, ein weinendes Auge

Ich hatte zwar nie meinen eigenen Spind, doch solange ich in der Gourmetküche am wirbeln war nutzte ich immer den gleichen Platz, an dem ich meine Sachen verstaute. Nun heißt es allerdings Abschied nehmen, schlimmer noch die regulären Pflichten wieder wahrnehmen. Betretenes Schweigen in der Küche. Monsieur le Gardemanger schaut verstohlen über seine Schulter während ich meine Sachen aus der Schublade räume, die ich mir mit der Postenköchin am Entremetier die ganze Zeit geteilt habe. Einige Messer, die scheinbar keinen Herren mehr haben wurden ebenfalls in meine Obhut übergeben. Normaler weise dröhnte um diese Zeit immer laut Musik durch die Küche, doch heute herrschte Stille. Aus der Patisserie klappert es und das monotone Rühren der Küchenmaschine dringt dumpf an meine Ohren. Vermutlich hat die Azubine wieder Angst nicht rechtzeitig mit Hippen, Schichtkuchen, Cremes, Tartes und Sorbets fertig zu werden.  Ein letztes Mal drückt mich Hannah an sich und meinte: "Lass Dich mal wieder hier blicken." "Das werd ich, wenn ich darf." Vom Küchenchef, den wir alle nur kurz 'Chef' nennen ein lässiges Schulterzucken, dass aber irgendwie mit einem Augenzwinkern verbunden war. "Immer wieder gerne." raunzt er in seiner bescheidenen und fast schon schüchternen Art. Das ehrt mich sehr, scheinbar habe ich wohl doch nicht zu viel durcheinander gebracht oder falsch gemacht. 

Wie es für einen solchen Tag gehört regnete es leicht. Auf dem Rückweg hielt ich kurz bei Freunden, die sich in dieser Zeit um meinen Hund gekümmert haben. Während der Fahrt nach Hause kreisten meine Gedanken um all die schönen Erfahrungen die ich während des Praktikums gemacht hatte. Ich dachte an Marcel, der sich immer wieder neue abenteuerliche Amuse Gueule ausdachte und dafür Lob, Zustimmung und manchmal ein verständnisloses Lächeln vom Chef erntete. Ich dachte an Hannah, die mich Kiloweise Pfifferlinge putzen und Erbsen pulen ließ. 
Ich dachte an Aljoscha, der uns schon früh morgens mit Deutschreggae in einer Endlosschleife beglückte und ich dachte an Annett, die mit Ihrer unkonventionellen Art – ein absolutes Original - für gute Stimmung in der Küche sorgte und ihrem Service die ganz besondere Note gab. Chef Schwekendiek versteht es auf eine einzigartige Weise einen Zusammenhalt in seiner Küche zu schaffen, so dass man das Gefühl bekommt, man gehört für immer dort hin und möchte nie wieder dort weg. 

Für mich aber bricht nun eine Zeit an, in der ich zunächst meine Arbeit wieder mit einhundert Prozent Power ausüben muss.  Und selbstverständlich werde ich keine Chance ungenutzt lassen, Auberginen und Zuccini in Form zubringen, Kartoffelpüree mit dem Spritzbeutel aufzutragen, mit einem Mokkalöffel Nocken aus Tomatenkonfitüre und Vanillekarottenpüree zu formen, Fleisch und Fisch zu zerlegen, Entenschlegel zu konfieren und immer wieder Gäste mit kulinarischen Kreationen zu überraschen. Und dann und wann, wenn ich es gar nicht mehr aushalte, setze ich mich ins Auto, ziehe meine Kochjacke wieder über und geselle mich zu Achim und seinem Team in die Gourmetküche im Schlosshotel Münchhausen.

Montag, 26. Juli 2010

39. Der Tag der toten Tiere

"Es wird Zeit, dass du echtes Fleisch in die Finger bekommst." Dienstag ist Liefertag. Frische Hummer, lebend geliefert. Blutenten mit Kopf und allem dran. Rehrücken, selbstverständlich im Ganzen und zig verschiedene Fischsorten. 
"Heute Abend weißt du wie man ausbeint!" raunzt mir der Saucier zu. Schadenfrohes Lachen vom Entremetier: "Das ist schon was anderes als Zucchini in millimetergroße Würfel zu schneiden!" Gekichere vom Service, der dienstags immer die Silberwaren zu polieren hat. Was soll's. Ich bin ein Mann und ich werde totes Tier in Nahrungsmittel verwandeln. Und schon gar nicht werde ich mir die Blöße geben, Hemmungen zuzugeben Enten bäuchlings aufzuschlitzen. Es ist wie Achterbahn fahren. Wenn man erstmal drin sitzt, gibt es kein Entkommen mehr. Und das Gefühl im Magen wenn man das erste Mal hinunter saust dürfte auch allen bekannt sein. So geht es heute den ganzen Tag. 

Mit zielsicherem Schnitt saust das Messer meines Lehrers am Brustbein entlang. Mit zwei weiteren Schnitten hat er die erste Brust ausgelöst. Gleiches auf der anderen Seite. Die Schneide fährt einmal um den Schenkel, dann wird mit gekonnter Handbewegung die Keule ausgekugelt und anschließend mit dem "Ausbeiner" sauber abgetrennt. Der Rest wandert in die Tonne. Zu viel Fett. "Jetzt du! Und das mir ja kein Fleisch am Knochen verbleibt." "Jawoll." (Übrigens ein Standardkommando in der Küche; dieses "Jawoll.")

Mit der Zeit, kommt die Übung und mit der Übung die Routine. Die Finger kleben. Es riecht nach rohem Fleisch. Das Blut der Enten wandert unter die Fingernägel. Die Nase juckt. Keine Hand frei. Blutenten, heißen so, weil diese statt geschlachtet erwürgt werden und das Blut im Fleisch verbleibt. Diese Tatsache macht die Arbeit mit dem Rohstoff nicht weniger aufregend. Nach nur einer Stunde sieht meine Schürze aus, als hätte ich in "Psycho I" bis "Psycho III" mitgespielt. Nach den Enten geht es an die Rehrücken, den Ochsen und das Lamm. Fleisch muss nach dem Schlachten reifen; etliche Tage oder gar Wochen. Das rohe Fleisch nimmt so an Aroma und Geschmack zu. Und das riecht man - nichts für empfindliche Nasen. 

Man kann sich einen Rehrücken so vorstellen, als sei das Tier gevierteilt worden. Vor einem liegt die Wirbelsäule, an der die Rippenknochen hängen. Und dort liegen jeweils die Filetzöpfe und Rückenstücke fein eingebettet. Und diese gilt es ohne jeglichen Verlust herauszulösen. Eine knifflige Arbeit. Nach vier Stunden ziehe ich ein Gesicht, als hätte sich dauerhaft eine Zitrone unter meiner Zunge eingelagert. Pause gehört mit zum Spiel und so geht man Rauchen und Kaffeetrinken. Mich zieht es an die frische Luft.

Es folgen Krustentiere und das Meeresgetier. Der riesige Topf mit sprudelndem Wasser steht schon auf dem Herd. Zwei große Styroporkisten, in denen es krabbelt und schabt und Fühler hektisch hin und her wedeln lassen erahnen was nun kommt. Hummer töten! Mittlerweile fährt mein Magen den Achterbahnparcours rückwärts. Okay, da muss ich jetzt durch, denn schließlich wollte ich es so. Immer drei Hummer auf einmal, damit das Wasser nicht zu schnell runterkühlt. Das kochende Wasser tötet das Tier. Es gibt wohl auch noch andere Tötungsmethoden, jedoch sind diese ebenfalls umstritten, da es einer wirklich fachmännischen Hand bedarf mit einem wohl gesetzten Stich zwischen die Augen das Tier sofort zu töten. Sobald das Getier im Wasser eingetaucht ist, schließe ich den Topf sofort mit einem Deckel. Die Vorstellung, wie die Hummer noch etliche Sekunden im heißen Wasser umher krabbeln versuche ich weitestgehend zu verbannen. Keine Zeit und keinen Platz für Sentimentalitäten. Ich bin an einem Punkt, an dem ich die Härte des Geschäfts erfahre. Nach dem Abkochen werden die Zangen ausgebrochen, der Kopf abgedreht und das Schwanzfleisch ausgelöst. An diesem Punkt ist die Erinnerung an das eben noch krabbelnde Tier nahezu verflogen. Aus den Schalen setzen wir später einen Fond auf. Aus Seeteufel, Steinbutt und St. Pierre schneiden wir Filets. Aus den Karkassen kochen wir später Fonds. Mir hat natürlich keiner gesagt, dass der Sankt Petersfisch giftige Stacheln hat und dass man, bevor man beginnt die Filets herauszuschneiden, die Flossen und Stacheln mit einer Schere abschneiden sollte. Merci.

Keine Ahnung welche Mixtur an Gestank ich mittlerweile an mir trage, aber es muss mörderisch sein. Das Ganze bei sechsunddreißig Grad im Freien und gefühlten fünfundvierzig in der Küche. Mit dem Zerlegen des toten Fleisches bin ich fertig. Der Kaffee schmeckt nach Fisch und mein Geruchssinn ist wie betäubt. "So, Butcher" wie der Saucier mich scherzeshalber nennt, "aus den Resten setzen wir nun Fonds an!" Mit einem Küchenbeil sind nun Eimerweise Geflügelkarkassen, das sind die übrig gebliebenen Knochengerippe, die Rehrückenreste und die Fischgerippe in kleine feine Stücke zu zerhacken. Ich dachte ich wäre durch für heute, aber die Arbeit die nun folgt setzt allem noch eins drauf. Die Knochen splittern, Blut- und Fleischreste spritzen durch die Gegend und das krachende Geräusch brechender Knochen bleibt einem nachhaltig im Kopf. Nach nur einer halben Stunde bin ich von der Kinnlinie bis runter zu meinen Knien über und über mit roten Punkten gesprenkelt. Gegen siebzehn Uhr simmern endlich die Fonds und ich habe endgültig für heute die Schnauze voll. Um achtzehn Uhr beginnt der Service, gegen dreiundzwanzig Uhr geht's endlich heim.

Ich sitze draußen auf der Terrasse, in der linken Hand ein Bier. An meiner rechten Seite hat sich mein Hund eingerollt und vergräbt seinen Kopf tief in meinem Schoß. Mit den mir heute vermittelten anatomischen Kenntnissen taste ich wohlwollend den Rücken des Tieres ab. Ich fürchte ich kann einfach nicht abschalten und bin froh, dass mein Hund lebt.