Mein persönliches Highlight: VOX - das perfekte Dinner

Wen es interessiert, wie ich die Produktionszeit des "perfekten Dinners" auf VOX erfahren wird hier fündig. Der Produktionszeitraum für die Sendewoche vom 05. bis 09. März war gleich zu Anfang des Jahres - also etwa acht Wochen vor der Sendung.

Mit meinem Gastgebertag am Freitag endet eine anstrengende Woche und vorerst auch dieser Blog. Zu einem Stern habe ich es zwar nicht gebracht, aber kochen, das hab ich gelernt.

Mittwoch, 19. Mai 2010

31. Zwei Euro für ein Leben


Jetzt werde ich Sternekoch. Das heißt aber auch nur beste Lebensmittel und Zutaten zu verwenden. Da kann ein Kilo hochwertiger Schinken schnell einhundert Euro oder mehr kosten. Ganz zu schweigen von Luxusartikeln, wie Kaviar und Trüffeln. Für ein Kilo weißen Albatrüffel kann ein Spitzengastronom schnell bis zu sechstausend Euro ausgeben. Der Normalkonsument übrigens auch, nur das dieser sich solch ein Luxusgut selten leisten kann. Weder im Restaurant noch als Rohstoff. Aber Sterneküche zeichnet sich nicht durch das Luxusgut aus, sondern durch die Verwendung bester Rohstoffe.

Naheliegend, dass man sich auch mit hiesigen Lebensmitteln auseinandersetzt. Regionale Küche auf höchstem Niveau. Aber was nützt mir höchstes Niveau mit einem mittelmäßigen Lebensmittel, nur damit es regional bleibt. "T'schuldigung, aber das ist das Beste, was die Region zu bieten hat!" Und doch ist es nur zweitklassig.

Immer wieder stelle ich mir die Frage: "Wo bekomme ich meine Rohstoffe her die sterneküchentauglich sind." Reicht es die Metro zu plündern? Köche aus meinem Bekanntenkreis versichern mir stets, dort beste Produkte zu bekommen. Der Besitzer einer Kochschule, die ich nun schon mehrfach besucht habe berichtete eines Abends in weinseliger Runde, dass der Chef der Fischabteilung in der hiesigen Metro gewechselt habe und seit dem bekäme er nur noch Mist. Schnell male ich mir aus, was für Qualität ich wohl bekomme, wenn ich als kleines Licht des Küchenhimmels in dieser Fischabteilung zwei Filets vom Zander bestelle? Berühren der Ware verboten! Also muss ich vertrauen. Vielleicht muss ich als Einkäufer kleinster Mengen einfach ekliger zum Verkäufer werden?!

Eines morgens stehe ich an der Kasse eines Ladens der wohl größten Discounterkette Deutschlands. In meinem Wagen eine Stange Toastbrot, etwas Konfitüre, Hundefutter und Klopapier. Vor mir eine Frau. Sie könnte die Mutter zweier entzückender Kinder sein; Junge und Mädchen. Er in der siebten Klasse und haarscharf an der Hauptschulempfehlung vorbeigerasselt. Sie wird auf das Gymnasium gehen. Ob sie will oder nicht. Allerdings erst in drei Jahren. Ich kann nicht anders und starre auf das Tiefkühlhähnchen, das dort auf dem Band liegt. Mit jedem Rucken des Bandes rollt das tote Vieh gegen mein Klopapier. Die Fliehkraft lässt den Broiler mit einem klirrenden Geräusch gegen die Rotweinflasche der Kundin und besagter Mutter vor mir stoßen. Irgendetwas stört dieses Bild, nur weiß ich noch nicht, was es ist. Erst als ich den Laden verlassen habe, weiß ich es endlich. Es ist der Preis von ein Euro achtundneunzig.

Der deutsche verbraucht gut und gerne sechs Kilogramm Hühnerfleisch pro Kopf im Jahr, der Europäer sogar siebzehn Kilogramm. Wie dieses? Halbes Hähnchen, Brustfilet, Chickenburger, Nuggets, Keulen, Flügel, Grillfleisch und die Liste könnte wohl fast unbegrenzt fortgesetzt werden. Der allgemeine Verbraucher hält Hähnchenfleisch für das unbedenklichste Lebensmittel, zudem politisch korrekt. Schweine sind dreckig. Schweine bringen Schweinegrippe, Kühe sind lila und schmecken eigentümlich. Rindfleisch ist nicht jedermanns Sache. Ein gutes Filetsteak ist teuer. BSE und Schweinepest verleiden einem jeglichen Fleischkonsum.

In 37 Tagen zum Filet

Das kurze Leben eines Masthähnchens. In Elterntierbetrieben werden bis zu zwei Mal täglich die Eier herausgenommen. Legehennen leben ca. 14 Monate, in dieser Zeit legen sie bis zu 160 Eier. Danach eignen sie sich noch allenfalls als Suppenhuhn.

Die Eier kommen in die Brüterei. Ein Imagefilm einer großen Brüterei in Norddeutschland verspricht einen optimalen Brutverlauf, den eine Glucke kaum besser gewährleisten könnte. Sobald die kleinen gelben Küken geschlüpft sind haben diese noch eine Schonfrist von drei Tagen, bis diese Tiere in die Mast kommen. Unsanft werden die Küken über Förderbänder transportiert. Kurzeitiger Stress, aber keine Tortur, wie ein Angestellter versichert. Die Mastställe sind gut vorbereitet. Gesäubert, ausgestreut und wohltemperiert. Man könnte meinen es ginge ins Ferienlager, doch haben die Tiere hier schon längst Ihre Würde verloren. Die nächsten siebenunddreißig Tage heißt es ohne Tageslicht mit bis zu achtzigtausend anderen Tieren fressen, kacken und wachsen. Das Futtermittel ist auf optimales Brustwachstum abgestimmt. Ironie eines Hühnerschicksals. Brütereien, Futtermittelbetriebe und Mastanlagen gehören nicht selten zum selben Konzern oder werden durch den Mutterkonzern beliefert. Firma R. aus dem Emsland hat mir einen Besuch der Brütereien versagt. Warum nur? Das Etikett auf dem toten Tier bietet schließlich genug Transparenz. Wenn ich wollte könnte ich sogar den Mastbetrieb besuchen. Alle Angaben finde ich dort. Tja, Pustekuchen. Ich hab's versucht.

Die Ernährung ist einseitig auf das Brustwachstum abgestimmt, die Viecher stehen im eigenen Kot und der Einsatz von Antibiotika in der industriellen Mast beugt Krankheiten vor. Bis zur Schlachtung sollten diese allerdings wieder abgebaut sein, so die offizielle Verlautbarung. Mal nebenbei bemerkt: eine Verlustrate von drei Prozent ist durchaus üblich und liegt im Toleranzbereich. Wir sprechen von zirka 2000 Tieren, die die Mast nicht überleben.


Fangkolonnen räumen einen Mastbetrieb innerhalb von sechs Stunden und das nicht immer sanft. Erst dann werden die Ställe wieder gereinigt und aufbereitet. So schafft ein Mastbetrieb bis zu acht Durchläufe pro Jahr. Danach geht's direkt zur Schlachtung. Der Schlachtbetrieb gehört übrigens auch zum gleichen Konzern, wie die Brüterei und der Futtermittellieferant. Blaues Licht soll die Tiere beruhigen, jedoch herrscht bei der Anlieferung der Tiere ein ohrenbetäubender Lärm. Schnellstmöglich wird das Mastgeflügel mittels Kohlendioxid betäubt und anschließend geschlachtet. Der Rest findet sich in formschönen Styroporschalen wieder, die jedem bekannt sein dürften.

Der Gewinn für den Bauern liegt bei sieben bis acht Cent pro Tier.

Ich schaue aus meinem Bürofenster. In einer gegenüberliegenden Wohnung ein Stockwerk tiefer sehe ich durch ein weit geöffnetes Fenster eine Frau, die Mittagessen zubereitet. Es könnte eine Mutter zweier Kinder sein, ein Junge und ein Mädchen. Zu Mittag gibt's zwei halbe Hähnchen. Mit Salz, Pfeffer, Öl und Paprika für eine Stunde in den Ofen. Das ideale Kinderessen. Das Mädel mag nur die Haut und er hat keinen Hunger. Zwei Drittel wandern in den Müll. Das Ganze für nicht ganz zwei Euro.

Sonntag, 9. Mai 2010

30. Was kost' die Welt!


So langsam gelange ich an einen Punkt, an dem ich mir nun doch Gedanken über Kalkulation machen muss. Leider verfüge ich nicht über ein grenzenloses Budget. Aber erstklassig zu kochen hat nun mal seinen Preis. Das wird mir jeder bestätigen können, der statt Frikadellen aus der Tüte handgemachte Hackfleischbällchen macht, genauso wie der, der Schnitzel original vom Kalb und eben nicht vom Schwein nimmt. Das Wiener Schnitzel zum Beispiel ist original vom Kalb. Es ist hauchdünn und mit einer fluffigen Panade. Es ist so gemacht als könne es fliegen. Übrigens, wenige Beispiele, bei denen ich panierte Lebensmittel toleriere. Panade ist eine Unsitte der Neunziger, die sich bis heute gehalten hat. In der Panade sind übrigens alle die Geschmacksverstärker enthalten, die das Lebensmittel eigentlich von sich aus mitbringen sollte. Entweder ich mag Fisch oder ich mag ihn nicht. Mag ich ihn nicht, dann muss ich ihn nicht in die Form einer Bahnschwelle bringen und mit Semmelbrösel umhüllen, um ihn schmackhafter zu machen. Aber ich schweife ab.
Sei es wie es ist. Letzten Donnerstag hatten wieder einmal sechs Freunde die Gelegenheit sich an meinen Spargelvariationen zu erfreuen. Spargel, das königliche Gemüse. Einskommafünf Kilo weißer Spargel nicht zu dick, ein Kilo grüner Spargel, ein Kilo violetter Spargel, dazu ein paar Stangen Jumbo Spargel. Plus eine Schale Erdbeeren. Alles direkt vom Erzeuger aus der Region, handverlesen für zusammen fünfunddreißig Euro. Weiter geht's zur Metro. Vorab habe ich alle Rohstoffe und Zutaten nach Abteilungen aufgelistet, sodass ich nur eine bestimmte Route abzugehen habe. Es wird nur gekauft was auf dem Einkaufszettel steht, nicht mehr, nicht weniger. Die Metro verführt einen nur allzu schnell dazu Dinge einzukaufen, die man durchaus brauchen könnte, die aber zur Zeit finanziell absolut nicht drin sind. (siehe vorheriges Kapitel)
Das Menü sieht aus wie folgt:


Amuse 
kandierte grüne Spargelspitzen auf Spargelschaum 
*** 
Spargeltörtchen an Kaisergranat und Rotweinbutter 
*** 
grüne Spargelcremesuppe mit Jakobsmuscheln 
*** 
Gebratenes Kalbsbries auf Spargelsalat mit Erdbeeren an Muskatblütenschaum 
*** 
Zanderfilet gebraten auf der Haut mit einer Interpretation von Leipziger Allerlei und einer Cognacbuttersauce 
*** 
Champagnerzitronensorbet 
*** 
Grüner und weißer Spargel mit Cordon bleu und klassischer Sauce Hollandaise 
*** 
Käse 
*** 
Karamelparfait auf Erdnussschokoladentarte mit Karamelhippe und frischen Früchten.


Man darf davon ausgehen, dass alles selbst gemacht und nichts als fertiger oder vorgefertigter Bestandteil hinzugefügt worden ist. Die Ware ist frisch und von hervorragender Qualität.
Das Amuse wird von Champagner begleitet. Zum Essen gibt es eine Auswahl drei verschiedener Weine. Ein Frischer, ein Kräftiger, ein milder Roter. Prinzipiell ist das Ganze ein Weißweinmenü, trotzdem müssen auch unverbesserliche Gaumen befriedigt werden.
Die Spargeltörtchen sind exzellent. Die Suppe ist ein wenig übersalzen, wie man mir später gestand. Ich kann diesen Eindruck auch später nicht bestätigen, aber das Abschmecken mit Salz ist gar nicht so einfach, wie man sich das immer vorstellt. Die Jakobsmuscheln sind in der Suppe ersoffen. Kalbsbries, nun ja, das ist so eine Sache. Bries muss man mögen, oder auch nicht. Allerdings verfüge ich auch nicht über Erfahrungswerte, wie Bries zu schmecken hat. Beurteilen wir das einmal so. Die Konsistenz ist sehr zart, fast schon weich. Dafür, dass es angebraten ist ein eher merkwürdiges Mundgefühl. Da Bries kaum Eigengeschmack mitbringt muss es stark gewürzt werden. Die Meinungen meiner Gäste teilen sich hier ziemlich genau in der Mitte. Ich selbst schlage mich auf die "Contraseite".
(Das ist übrings mein Leipziger Allerlei!)

Der nächste Gang geht fast ohne Beanstandung durch. Allerdings hat ein etwas dickeres Stück Filet noch nicht den Gargrad erreicht, den es hätte haben sollen. Dumm gelaufen. Hier hat der Qualitätscheck am Pass versagt. Sorry dafür. Das Sorbet ist mittlerweile keine große Sache mehr. Der Hauptgang reibungslos durchgegangen. Hier weiß nur ich, was alles schiefgegangen ist und wie es eigentlich nicht sein sollte. Das fing schon damit an, dass das Kalbfleisch aus der Metro unverwertbar gewesen ist und ich Ersatz brauchte, aber schnell. Mein Supermarkt um die Ecke, der ja darauf schwört, dass er Lebensmittel liebe, hat alles in der Fleischtheke nur keine Kalbsschnitzel. Also muss die Ersatzdroge Schwein herhalten. Schon beim Plattklopfen in der Küche merkt man, dass das Fleisch nicht gegen sondern mit der Faser aufgeschnitten ist. Plätten war daher kaum möglich. Der Clou ist das Cordonbleu nicht zu schichten sondern zu rollen. Der Käse innen umhüllt von italienischem gekochten Schinken und dem Schnitzelfleisch. Das so aufgerollte Cordonbleu wird nun klassisch paniert, in Mehl gewälzt, mit Eigelb gebunden und mit Mie de pain umhüllt und anschließend in der Pfanne mit reichlich Butterschmalz ausgebacken. Bei mittlerer Hitze im Ofen fertig gegart.
Der Käse war reichlich und viel zu viel. Und meine ärgste Kritikerin lässt zum Schluss des Menüs verlauten, dass mich das Dessert den Stern gekostet hätte. Ernüchternd, aber sie hat natürlich recht. Das Parfait ist wirklich großartig gelungen, jedoch stellt die Erdnussschokoladentarte einfach nur eine große Enttäuschung dar. Der Boden ist keksig geworden und damit verlangte das ganze Dessert nach einem Dessertwein, um die krümelige Substanz herunterspülen zu können.

Kommen wir nun zur Kosten-/Nutzenrechnung:
Gesamtrechnung bei der Metro:                        348 €
Spargeleinkauf direkt beim Bauer:                      35 €
Fleischersatzkauf im Supermarkt:                       16 €
Kalbsbries, Kaisergranat und Jakobsmuscheln
vom Händler meines Vertrauens                         30 €
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Einkaufsumme gesamt:                                  429 € 
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Käse, denn den hat ja kaum
einer gegessen                                                       - 74 €
Lebensmittel, die nicht direkt für das Menü    -29 €
verbraucht wurden 
Anschaffungen bei der Metro                              -26 €
unverbrauchte Weine                                            -19 €
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Summe:                                                                  281 €
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Bleiben pro Gaumen                                            46 €

Wenn ich das Spitzenniveau eines Tages erreiche, das ich zu erreichen gedenke, dann ist dieses Ergebnis kein schlechtes.

Das letzte Mal sind meine Gäste in einer umfangreichen Bildergalerie bloßgestellt worden, dieses mal rechne ich ihnen vor, was sie mich effektiv gekostet haben. Ich befinde mich in einer Lernphase und da gehört eine Kalkulation einfach mit dazu. 

Übrigens, ohne den Champagner wären es rund zehn Euro weniger pro Gast gewesen.

Montag, 3. Mai 2010

29. Zwischenbilanz



Eine Bilanz ist die Gegenüberstellung der aktiven und passiven Bestände zu einem bestimmten Stichtag. Eine Zwischenbilanz greift dem eigentlichem Stichtag voraus und wird zu einem Zeitpunkt vor oder nach dem eigentlichen Bilanzierungszeitpunkt erstellt. Sie ist eine Momentaufnahme.

Halten wir also nun nach vier Monaten den aktuellen Zustand fest.

Am 23. Dezember letzten Jahres hatte ich 6 Weißweingläser und 6 Rotweingläser, zwei Töpfe, zwei Pfannen und eine Espressomaschine. Gerade soviel Besteck und Geschirr, dass ich nur einmal in der Woche die Spülmaschine laufen lassen musste. Teller von Ikea, Kaffeebecher für den Tagesgebrauch und Tassen mit Untertassen für das Wochenende. Lieblingsspeise: Hühnerfrikassee aus dem Kochbeutel mit Reis, mit Zartweizen, mit Nudeln.
Es gab Phasen der Nullkalorienernährung und es gab Phasen der Scheißegalernährung. Gekocht wurde eigentlich nur abends. Wenn ich Nudelwasser aufgestellt habe, bin ich eingeschlafen. Auch wenn ein Frikasseekochbeutel vor sich hin blubberte schlief ich ein. Resultat: Hochfrequenter intermittierender Lärm eines Rauchmelders der die Bewohner des Wohnhauses an meine Tür hämmern ließ. Wer schlief und vom Essen nichts wissen wollte, war ich.

Ich kann mich gar nicht recht erinnern, wie alles begann. Ich glaube es war das Pochieren. In heißem Wasser gegart. Erst ein Ei, dann ein Rinderfilet. Ab da überschlugen sich die Ereignisse. Ich lernte Kochen, Dämpfen, Dünsten undBlanchieren, Braten, Sautieren, Frittieren, Schmoren und Braisieren, Gratinieren, Poêlieren, Reduzieren. Das Lebensmittel rückt in meine Lebensmitte.

Nun besitze ich Schneidebretter, ein großes Küchenmesser, kleines Küchenmesser, Tourniermesser, Ausbeinmesser, Filetiermesser, Fleischmesser, Fleischgabel, Brotmesser, Messerstahl, Nachschleifer, Messerblock, Plattiereisen, Küchentücher, Touchons und Passiertücher, reichlich Vorratsdosen mit Deckel, Suppenteller, große Teller, Küchengarn, Ravioliausstecher, Pastetenformen oder auch Desserschalen, Senfpulver, Läuterzucker, Wasserkaraffen, Vorspeisengabeln, kleine Messer, Suppenlöffel, Bunsenbrenner, Vorratsgläser, einen Mörser und einen Stößel, Fleischwolf, Salatschale groß, Salatschale klein, Tischwäsche aus Damast, einen Esstisch mit Stühlen, die Leute trinken Grappa und sie mögen Orangenlikör in den Vinaigrettes, Olivenöl im Salat und Obstbrändle zum verdauen. Da sind Kochbücher und Lehrbücher, der Ausbildungsrahmenplan und "der junge Koch" - das Ausbildungslehrbuch. Die Kochhose, die Kochjacke, die Schürze und das Touchon. Pflicht ist die Kopfbedeckung.
Eine Salatschleuder, Induktionsplatten, Kasserollen in verschiedenen Größen, Sauteusen, Bräter und Großkochtöpfe, der Lurch, die Fritteuse und der Frittierkorb, der Bräter, die Rührschüsseln, die Korkuntersetzer, eine Zuckerwattemaschine, eine Fettkanne und eine Spritze für Braten. Dann ist da die Flotte Lotte, der Zauberstab und Spritzflaschen für Soßen, mehrere "Tim Mälzer", ein Gastronormbehälter, Topfdeckel und Nudelzange, so wie ein Ringelschneider. Dazwischen, Obstler, geiles Olivenöl, Bärlauchöl, eine Flasche ohne Etikett die handgemachtes Olivenöl aus Apulien enthält, Cognac, zwölf Jahre alter Whisky, Portwein, Kräuteröle und Essig und einfach Öl von der Stange, Weißweinessig, Sherryessig, Himbeeressig, Worcestersauce, Estragonessig, Champagneressig alles im Holzbottich, ein Wetzstahl, ein Thermometer, grobes Meersalz in der Nostalgiedose, eine Reibe, eine Pinzette, schwarzer Pfeffer im Glas, ein Geizhals, Suppenunterteller, Messer und Scheiben für den Zauberstab, Fleur de Sel in der Vorratsdose, Tassen, Vorlegebestecke, Salatbestecke, ein Entkerner, einen Kugelausstecher klein, einen Kugelausstecher groß, Zestenreißer, Grätenzange, Sparschäler, Suppenlöffel, Dessertringe in verschiedener Größe und Anzahl, eine Kastenbackform, ein Siebschöpfer, Spicknadel und Küchennadel, Trüffelhobel, Teigschaber, Untertassen und Timbale Formen, die übrigens dazu neigen ganz schnell um zu kippen und daher ziemlich unpraktisch sind. Es geht weiter mit einem Salzstreuer, Sahnesiphon, Fischgabeln, Fischmesser, Suppentassen, Brottellern, Salattellern, Cognacschwenker, Lezithin, Alginat und Chlorid für die Molekularküche, Holzkochlöffel, Schaber, Schneebesen und Kunstofflöffel, Pasten- und Terrinenformen mit und ohne Decke, Backtrennspray, Cassis, Noilly Part, richtig, richtig alter Balsamico, die Jamie Oliver, Schlagscheibe zum Mayonnaise machen, Siebe groß und Siebe klein. Gusseiserne Bratpfannen und noch mehr Aufbewahrungsdosen und Rührschalen, ein Puderzuckerstreuer, eine Silikonmatte und ein Alleschneider von Graef, Spritzbeutel mit Tüllen, Große Teller, Mittelteller und zu guter Letzt: der Durchgeknallte in der Mitte, der das ganze toppt.

Dafür habe ich meinen Job riskiert, zwei wichtige Kunden missgestimmt, mich selbst verstümmelt mit Schnitt- und Brandwunden, einen Freundeskreis, der von meinem Kochfaible profitiert, ein leeres Portemonnaie und vor allem Respekt vor dem Lebensmittel bekommen. Und dafür bin ich dankbar.

28. Brötchenhölle

Vierundzwanzig Vollkornbrötchen, vierundzwanzig Weizenbrötchen, zwanzig Laugenstangen, aufstehen um fünf Uhr fünfzig. Gassi gehen, Kaffee trinken, um 07:30 am Posten. Salami, Salat und Putenfleisch. Deckel drauf und ab dafür. Ist die Rutsche fertig wird wieder von vorne begonnen. Vierundzwanzig Vollkornbrötchen, vierundzwanzig Weizenbrötchen. Ich bin wieder da!

Es geht wieder los. An einem Donnerstag ereilte mich der Ruf und ich kam. Die Regierung tagt und ich beziehe Stellung an der Versorgungsstelle an welcher sich unsere Damen und Herren Politiker tagsüber nähren. Es ist wie das Arbeiten am sinnbildlichen Futtertrog.  

Für vier Tage kehre ich zurück an den Ort, an dem ich im Winter (Kapitel 19. Plenum) mein Praktikum als Koch absolvieren durfte. Die Stimmung ist aufgewühlt und es sind noch alle da. Man freut sich darüber sich wieder zu sehen. Das Schöne daran ist, dass es völlig anders ist, wenn man wiederkommt. Vielleicht liegt es daran, dass man zeigt, dass man nicht gebrochen wurde, sondern immer noch zu dem steht, was man tut. Doch was tue ich eigentlich? Vierundzwanzig Vollkornbrötchen, vierundzwanzig Weizenbrötchen, zwanzig Laugenstangen. Ein tiefer Schnitt mit dem Sägemesser in die Fingerkuppe meines Mittelfingers schickt mich kurzzeitig in einen septischen Schock. Das Blut spritzt auf den weißen Ärmel meiner Kochjacke. Mir wird kurzzeitig schwarz vor den Augen und meine Knie scheinen nachzugeben und ich kann nichts dagegen tun. Doch der Zeitdruck und die Pflicht fertig werden zu müssen treiben mich an. Auf meiner Fingerkuppe sprudelt ein Vulkan. Pflaster drauf und Fingerkondom drüber. Das Puckern wird einfach ignoriert. Das morgendliche Brötchenbüffet steht. Zeit zum Durchatmen. Ab Mittags kommen dann Wienerwürstchen und Frikadellen dazu. Man beweist einen erlesenen Geschmack.  
Apropos erlesener Geschmack, da fällt mir doch ein schönes Beispiel für Convenience Food und Geschmacksakzeptanz ein. Der Mensch ist, was er isst. Man glaubt kaum, dass er besser ist, wenn er besser isst. Am dritten Tag sind uns für die Schnitzelbrötchen die vorplattierten und panierten Superschnitzel aus dem Großgebinde ausgegangen. Sie sehen aus wie handgeklopft schmecken aber einfach nur panadelangweilig. Das Plenum ohne Schnitzel ist wie der Altkanzler ohne Currywurst. Geht nicht. Also werden in Windeseile frische Schnitzel geschnitten und frisch paniert. Es darf geraten werden. Ich habe an Tag vier doppelt soviel Schnitzelbrötchen machen müssen, wie die Tage zu vor. Woran das nur liegt?

Wie ja schon erwähnt ist die Küche unter dem Plenarsaal. Was bedeutet, dass vom Kaffeebecher bis zum Schnitzelbrötchen der ganze Mist  nach oben gekarrt werden muss. Der Weg ist weit und umständlich. Die beiden alten engen Fahrstühle teile ich mir mit einer Putzfrau und dem Kerl von der Poststelle. Es gibt ein Oben, Mitte, Unten und einen Keller. Mein Weg führt durch zwei Sicherheitskontrollen vom Unten zur Mitte. Die Putzfrau muss vom Oben in den Keller und der Postmann springt durch alle Korridore, was dazu führt, das nie ein Fahrstuhl da ist, wenn man ihn braucht. Und ich brauche ihn oft.
Und eine Sache klärt sich auf. Die Stampfgeräusche (siehe auch Kapitel 19. Plenum), deren Ursprung nicht zu ermitteln war und mit keinem Ritual der deutschen Politik in Verbindung gebracht werden konnte, sind banaler als einst angenommen. Wenn ein Redner nun etwas besonders Tolles sagt, bekommt er von seinen Zuhörern, die sich im Saal befinden seinen wohlverdienten Applaus. Den wiederum spenden diese durch einfaches in die Hände klatschen, aber auch durch Klopfen mit den Fingerknöcheln auf die Tische. Der Komplette Plenarsaal ist mit Holz ausgekleidet und die Tische sind mit Säulen und Zapfen direkt in den Boden eingelassen. Die bauliche Substanz lässt nur die dumpfen Laute bis zu uns in die Küche herunter dringen und diese klingen wie oben erwähntes unerklärliches Stampfen. Verrückt. 

Vier Tage sind um. Es wird Zeit für mich weiter zu ziehen.