Mein persönliches Highlight: VOX - das perfekte Dinner

Wen es interessiert, wie ich die Produktionszeit des "perfekten Dinners" auf VOX erfahren wird hier fündig. Der Produktionszeitraum für die Sendewoche vom 05. bis 09. März war gleich zu Anfang des Jahres - also etwa acht Wochen vor der Sendung.

Mit meinem Gastgebertag am Freitag endet eine anstrengende Woche und vorerst auch dieser Blog. Zu einem Stern habe ich es zwar nicht gebracht, aber kochen, das hab ich gelernt.

Montag, 13. Juni 2011

46. Die Matrix

"Schluckst Du die blaue Pille bleibt alles wie gehabt. Entscheidest Du Dich aber für die rote Pille zeige ich Dir die Wahrheit. Nicht mehr und nicht weniger." So sprach Morpheus zu Neo im Film "Die Matrix" aus dem Jahr 1999.

An irgendeinem Punkt der Kochlaufbahn wird man ebenfalls vor die Wahl gestellt. Entweder man entschließt sich für die Wahrheit oder verschließt nach wie vor die Augen vor dem, was da auf dem Teller liegt. 
Ich habe die Wahrheit gesehen und es wird nie wieder, wie es war. Warum nur, konnte ich mich nicht für die blaue Pille entscheiden? Da war die Tiefkühlhähnchenpfanne für drei Euro einfach nur eine Tiefkühlhähnchenpfanne. Eine Projektion vor dem inneren Auge, die uns die Sicht der Dinge vereinfacht und begreiflich macht. Die Einkaufs- und Verbrauchsrechtfertigung inklusive. Der flache Karton ist einfach ein zu abstraktes Gebilde, als sich tatsächlich selbst die Frage zu stellen: Was ist da eigentlich drin? Nach etwas mehr als einer Stunde im Ofen bei einhundertsechzig Grad, wohligen Düften, knusprig brutzelnder Hähnchenhaut ist der Geist gänzlich vernebelt und auch die letzte Frage nach dem, was das mal war gänzlich verflogen. Die Fresslust siegt. Ach, es schmeckt ja so gut. 

Aus der Ohnmacht erwachend dröhnt mir der Schädel. Irgendetwas ist anders. Eben war ich noch auf der Fahrt zur Drive-Thru Stop-and-Go Ernährung und nun befinde ich mich plötzlich auf dem Weg zum Biobauernhof. Dort wo Hühner glücklich scharren, sich Schweine fröhlich suhlen und Kopfsalate einen freundlich anlächeln. Viele wilde Bilder überlagern sich. Das "Searchprogramm" läuft noch. Ich sehe eine grauhaarige alte hässliche Frau. Das Gesicht verhärmt, die Stimme rau, der Körper wuchtig. Das Gesicht kenne ich doch? - Ja richtig. Das ist Michaela, die Marktfrau. Was macht die denn hier? Ich habe sie nie wirklich wahrgenommen, aber das ist die Hexe von Bioland. Warum liegen Klischee und Wahrheit bloss so nah bei einander? 

Dann kommt der Schlag mit dem Baseballschläger. Für einen Moment wird es Nacht. Dann stellt sich ein aufgeräumteres Bild ein. Was nun folgt dauert Monate, aber es verfehlt die Wirkung nicht. 

Ich scheine zurück in meiner Welt. Im Wagen auf der Fahrt Stadtauswärts sehe ich In der Ferne ein rot-weißes Restaurantschild leuchten, dass mir Appetit macht und schnelle Sättigung verspricht, selbstverständlich bei maximalem Genuss. Regen prasselt gegen die Windschutzscheibe. In fünfhundert Metern einfach rechts abbiegen. Hier gibt es die Hähnchenpfanne schon gleich fertig zubereitet, in einem Eimer oder Papiertüte einfach zum Mitnehmen. Ich muss nicht mal aussteigen. 
In der Regel hatte ich alleine von dem alles mitreißendem Geruch eine ziemlich klare Vorstellung, was meinem Gaumen Freude bereiten wird.  Einen Tag später endet dieses Vergnügen stets mit einem Reizdarm. Aber dieses Mal habe ich ein völlig anderes Bild vor Augen. Ich sehe Spaltböden, zu weit abgeschnittene Schnäbel, nackte Hälse und gelbe süße kleine Küken, die in einem Affenzahn über ein Sortierförderband gejagt werden. Eine Maschine berechnet, wann ein Küken tauglich ist und wann es gleich aussortiert wird. Nicht selten brechen sich die Viecher bei dieser Prozedur eh gleich das Genick. Aussortiert zu werden mag vielleicht eh das angenehmere Ende sein. Schlagzeile! - Es blitzt durch meinen Kopf. Ein ortsansässiges Kulturmagazin brachte einen Leitartikel, in dem es darum ging, dass bei der Inbetriebnahme eines neuen Geflügelschlachtbetriebes siebzehntausend Hühner "verbraucht" wurden, um die automatische Schlachtstraße zu kalibrieren. Also richtig einzustellen, damit der Schlachtvorgang in Zukunft möglichst human verläuft! (…..???) [zum besseren Verständnis: Absolute Verständnislosigkeit] 

Ich bin raus. Die Matrix ist Geschichte. Das sich mir darstellende Bild raubt mir jede Kauflust auf "Hähnchenpfanne provencale"! Und so geht es weiter. Ich will die blaue Pille !!

Neue Situation: Kein Regen, Sonnenschein, beste Laune, in der Auslage frische Entenkeulen eines Geflügelerzeugers, den jeder kennt. Und an dieser Stelle sei gesagt, dass es egal ist, an wen Sie gerade denken.  Ich sehe Freilandenten, -hühner und -gänse. Freilandenten? - Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Ich sehe Schwimmheute zwischen den Schwimmfüßen, aber ich sehe kein Wasser. Die Realität räumt umbarmherzig auf. Eier sind ein Erzeugnis, dass von Hühnern stammt, die nur dafür gehalten werden mir mein geliebtes Ei zu liefern. Wie ist erstmal egal. Okay, Freilandhaltung ist humaner. Nicht mehr außerhalb der Matrix: der Auslauf, der den Tieren gewährt werde muss, wird von den Tieren nicht wahrgenommen, da diese sich nicht an den immer noch existenten Massen an Tieren vorbei trauen. Im Endeffekt weniger Fläche für mehr Tier. 
Milch gibt es nur, weil Neugeborene darauf verzichten müssen. Die Qual der Mütter und der damit verbundene Stress für Mütter- und Jungtiere ist zu gross, daher müssen Jungtiere gleich nach der Geburt von den Müttertieren getrennt werden. Is' besser so. Den Lärm, den Mütter und Jungtiere auf der Suche nach ihren Familienangehörigen machen, wenn sie erstmal zusammen waren ist für das menschliche Ohr nahezu unerträglich. Frühzeitige Trennung schafft Abhilfe. 

Egal welches Szenario ich mir vor Augen rufe, jedes nimmt in etwa gleiche Ausmaße an. Ich versuche mich auf den Boden der Tatsachen zurück zu rufen. Es ist nicht nur dieses "Tierding". Es hat sich grundsätzlich etwas geändert. Das Schattenspiel nimmt Gestalt an. Mit Gemüse funktioniert dieses Spiel im Übrigen genau so. Frage Dich nur, wo die Tomate im Winter herkommt und welcher Aufwand dafür notwendig ist. 

Okay, ich bin ein Gourmand, ich koche gerne und ich konsumiere gerne. Umdenken ist angesagt. Wenn Tier auf den Teller kommt, dann muss ich mir darüber im Klaren sein, dass dieses ehemalige Lebewesen nicht tot gestreichelt worden ist. Irgendwann schauen sie alle in den Lauf des Bolzenschussgerätes. Bleibt nur die wage Hoffnung, dass der Schuss sitzt. Aber bis es soweit ist, sollte man zusehen, dass Kuh, Schwein oder Schaf es bis dahin gut gehabt haben. Das ist keine Rechtfertigung, aber das Minimum an Respekt, dass drin sein sollte. Bereiten Sie mal etwas zu, was noch Kopf und Augen hat. Rückwirkend betrachtet habe ich sogar  Verständnis für all die, die mir bei der Zubereitung meines Hasen oder meiner Heidschnucke nicht beiwohnen wollten, jedoch wieder voll dabei waren, als es an die Kritik ging, wie man den Braten noch besser hätte zubereiten können. - Egal ob kurz gebraten oder geschmort.

Das schöne daran ist, dass wir es selbst in der Hand haben mit der neuen Wahrheit umgehen. Und das gilt auch für mich, wenn es heißt verantwortungsvoll in der Küche zu agieren. Im Prinzip ist die Antwort ganz einfach. Ein Koch und erst recht ein Sternekoch hat den zu verarbeitenden Lebensmittel Achtung und den nötigen Respekt entgegenzubringen; allen Lebensmitteln im Allgemeinen - und den lebenden im Besonderen.