Mein persönliches Highlight: VOX - das perfekte Dinner

Wen es interessiert, wie ich die Produktionszeit des "perfekten Dinners" auf VOX erfahren wird hier fündig. Der Produktionszeitraum für die Sendewoche vom 05. bis 09. März war gleich zu Anfang des Jahres - also etwa acht Wochen vor der Sendung.

Mit meinem Gastgebertag am Freitag endet eine anstrengende Woche und vorerst auch dieser Blog. Zu einem Stern habe ich es zwar nicht gebracht, aber kochen, das hab ich gelernt.

Sonntag, 21. Februar 2010

15. "Egal wie, hauptsache gleichmäßig!"



O-Ton Franziska: "Schneid' nicht so 'ne Scheiße!" Sie hat ja recht. "Hier!" Sie knallt mir einen Einsatz mit abgekochten Kartoffeln hin. "Pellen und in Scheiben Schneiden!" Man darf jetzt nicht glauben, Franziska sei etwa unhöflich, oder gar schlecht erzogen. Es herrscht einfach Küchenton, wobei der Küchenton hier wirklich freundlich ist. Die Klischees lassen anderes vermuten. Die Kartoffeln sind nicht ganz ausgekühlt und beim pellen brennen meine Fingerkuppen. "Leg die doch ins kalte Wasser!" "Darf ich das?" "Klaro, geht doch viel einfacher." Vielen Dank für den Tipp, denke ich bei mir, warum nicht schon früher? Nebenbei sei bemerkt, dass der Küchenchef nur drei Tage später gleiches mokiert. Da hieß es dann:"Die müssen heiß geschält werden, sonst geht zu viel dabei verloren!" Er will mir zeigen, was er meint und nimmt mit einem kleinen Messer eine Hauchdünne Schicht der Pelle ab. "Und das ist zu viel?" frage ich ungläubig. "Nee, so isses jut. Aber be' osjekühlten Ka'toffeln schaben 'se doch ne Menge mehr runter." "Ich verstehe." Nun gut. Gedanken sind frei. "Ich mach mich gleich dran." sage ich. "Is ellich waar. Un' schnadense de gleech in Schaaben för Braatkatoffln." Meine Gedanken schweifen ab. Ich erinnere mich an ein Interview mit der Schauspielerin Helen Mirren, in dem sie über ihren neuen Film redete, der hier in Deutschland, besser gesagt in Sachsen-Anhalt gedreht wurde. Da ihr aber die Aussprache dieses neuen Bundeslandes sehr schwer viel, sprach sie im Interview nur von "Sexy Anhalt". Ich find das süß und ich glaube das trifft den Nagel auf den Kopf. Äh, wo war ich?
Einst sagte Küchengott Escoffier:"Nur derjenige, der Ursachen und Wirkung der einzelnen Zubereitungsarten genau kennt, beherrscht die Kochkunst in vollem Umfange" - dann mal los!
Der Tag in der Küche beginnt. Der schlacksige Koch drückt dem Fahrradkurrier einen Zettel in die Hand. "Stell ma' nen Menü zusammen." Während ich am Zwiebel- und Kartoffelschneiden bin, versuche ich aufzuschnappen, was aufzuschnappen geht. Ein weiterer Koch tritt seinen Dienst an. Wir stellen uns höflich vor. Ich glaube, das ist der Auszubildende, denn so wie es aussieht bekommt er genau soviel auf den Deckel, wie ich wohl die nächsten Tage und Wochen erwarten kann. Franziska ist fertig mit dem Menü. Einige Dinge fehlen. Es wird längst nicht so frisch gekocht, aber das Mittagessen ist praktikabel. Hier muss keiner verhungern.



Es ist kurz nach Zehn und es wird plötzlich hektisch. Es werden Aufgaben verteilt und es wird laut in der Küche. Plötzlich brutzelt und blubbert es. Hier wird gerührt, dortgeschnitten, jemand belegt Brötchenhälften und um das Gastronomieflair abzurunden hat sich seit geraumer Zeit ein wohliger Klangteppich der immer wieder anspringenden Spülmaschine unter die klappernden, rauschenden und rührenden Geräusche gelegt. Ich bin wie angefixt. "Ham wa keine Pommes?" " Nee, is' bestellt." "Machen wir die Currywurst dann mit Bratkartoffeln?". "'können doch Pommes schneiden. 'Mit hausgemachten Pommes.' kommt doch gut." "Ey, schneid ma' Kartoffeln, aber die großen aus 'm Gemüsekühlhaus rechts." rief der Schlacksige zu mir rüber. Ich lief selbstbewusst los und holte so viele Riesenkartoffeln, wie ich nur tragen konnte. "Nee, allet. Bring ma' den ganzen Einsatz mit." "Kommt!" rief ich fachmännisch zurück. Damit hätte ich mich gleich auf Anhieb zweimal lächerlich gemacht. Als ich mit dem Einsatz zurückkomme gibt's Anweisungen. Ach Übrigens: ein "Einsatz" ist ein gastronomisch genormter Behälter einer bestimmten Größe zur Weiterverarbeitung, bzw. Aufbewahrung oder Präsentation von Rohstoffen oder fertiger Speisen. Diese sind meistens aus Edelstahl. Jeder, der schonmal im Urlaub am Salatbüffett gestanden hat, kennt diese Behälter. Mehr gibt's dazu eigentlich nicht zu sagen. Eben ein "Gastronormbehälter".
"Aber gut Wässern!" kommt die Anweisung. "Und wie willst Du die Stäbe?" fragt eine andere Praktikantin. "Na so!" Ich bin nur froh, dass ich diese Frage nicht gestellt habe. "Schneiden und dann erstmal ins Wasser." "Aber vorfrittieren!" rief der Fahrradkurrier von der anderen Seite. Informationsberge stürzen über mich ein. Wir fassen zusammen: Pommes sind aus. Currywurst geht nur mit Pommes. Lösung: Pommes machen. Große Kartoffeln schälen und in Stifte schneiden. Stifte Wässern, anschließend anfrittieren. Die anfrittierten Stifte, also Kartoffelstäbe werden kühlgehalten und bei Bedarf zu Ende gegart. Mir sträuben sich die Nackenhaare. Ein fast verdrängte Erinnerung kämpft sich Mühevoll an die Oberfläche. Die Pommes Frites sehen einfach scheiße aus. Sie sind viel zu groß, völlig ungleichmäßig und fleckig. Das Testfritteren ist total in die Hose gegangen. "Die müssen noch!" "Okay" sage ich nur kurz und wir schnippeln weiter. Die Pommesschnippelei hat sich in keinster Weise gelohnt. Zu Mittag sind genau vier Essen bestellt worden. Allerdings wurde die Vorbereitung für eine ganze Armee getroffen.
Das ist also das "à la carte" Geschäft. Ich werde aufgeklärt. Eine Menükarte wird für eine Woche erstellt, vielleicht länger, vielleicht kürzer. Der ganze "Dreck" der Vorwoche ist "um!" und muss entsorgt werden. Es wird alles neu gekocht. Es sei halt Montag. Zwischendurch hält immer wieder eine unförmige Frau mit blonden Haaren ihre Nase in die Küche und möchte etwas wissen, oder etwas essen. Die vier Essen hat die Küche total in Stress versetzt und dann kam diese eben erwähnte Frau und wollte gerne für sich Mitarbeiteressen bestellen. Nach meiner Einschätzung der völlig falsche Zeitpunkt. Nun gut, ich habe hier aber über nichts zu bestimmen!
Das Mittagsgeschäft ist nach den vier Essen durch. Es wird aufgeräumt. Es sieht aus wie im Schweinstall. Drei oder auch vier Leute haben da am Mittagsgeschäft rumgefuhrwerkt. Mir stellt sich eine Frage; "Wie rechnet sich das?" Sollte sich das rechnen werde ich sofort Gastronom!
Nachdem dieser "Stress" vorbei ist geht es an das Privatvergnügen. Wie ich erfahre ist der Azubi im dritten Lehrjahr, mit anderen Worten er bereitet sich auf die Abschlussprüfung vor. Sein derzeitiges Projekt hat etwas mit Dessert zu tun. Es ist eine Schokomousse auf Nougatkrokant. Es schmeckt auch für Nichtschokoladenliebhaber einfach lecker. Substitution an jeder Stelle, statt Cornflakes müssen Haferflocken und Müsli herhalten. Ich darf die Mousse probieren und sie ist wirklich gut gelungen. Sowohl die Basis, als auch die Mousse selbst. Darauf wird ein "Gelee" gesetzt, das durch Rotweingeschmack dominiert wird.
Ich habe das Gefühl, als würde der Tag heute einfach nicht enden wollen, dabei sind gerade erst mal sieben Stunden vergangen. Ein Tag in der Küche kann lang werden. Wie lang, werde ich noch am eigenen Leibe erfahren.
Kurz vor dem eigentlichen Feierabend kommt der Azubi-Koch im Dritten Lehrjahr auf die Idee Kartoffelkroketten selbst formen zu wollen. Die Vorbereitungen habe ich nicht so recht mitbekommen, ich steige ich den Produktionsprozess ein, als es darum geht die Kartoffelpresse zu suchen. Es gibt wohl eine, aber die hat heute Ausgang. Was bleibt ist den grob gestampften Kartoffelbrei durch ein feines Sieb zu streichen. Es dauert ewig. Die Masse wird abgebunden und danach zu zeigefingergroßen Rollen geformt, paniert und immer wieder testweise in die Fritteuse gegeben. Die Fritteuse ist entweder zu heiß, die Bindung nicht perfekt oder sonst irgend etwas stimmt nicht. Die Kroketten, sehen eine Zeit lang wirklich gut aus, aber dann platzen sie einfach auf. In der Zwischenzeit ist der Küchenchef zu uns in die Küche gekommen. Ich habe ihn den ganzen Tag lang nicht gesehen. Ich stelle mich kurz vor. "Wat macht ihr hier?" "Kroketten, aber die wollen nicht so recht." sagt der Azubi-Koch. Mittlerweile stehen wir alle um den Kartoffelteig herum und versuchen unser bestes, die Kroketten nicht zum Platzen zu bringen und jeder hat einen gescheiten Rat. "Wie lange bleiben Sie bei uns?" fragt mich der Küchenchef. "Den ganzen Monat." "Aha, dann kommen sie immer um zehn." "Okay." sage ich und nippe an einer Tasse Kaffee, die ich mir in die Küche geholt hatte. "Ach, und... Anlehnen und Kaffee trinken mag ich hier in der Küche gar nicht!" Ich steh sofort stramm "Is' recht!" "Machen sie nicht mehr so lange." sagt er in die Runde und ist wieder verschwunden.
Aber der Tag ist lange noch nicht vorbei. Nachdem der restliche Kartoffelteig zu "Herzoginkartoffeln" verarbeitet worden ist, aus einem nach Orangen schmeckenden Teig Gitter gebacken und Früchte in Zucker karamelisiert worden sind wird geputzt, was noch nicht sauber ist. Oberflächen gewässert, Biomülleimer geleert, Regale im Kühlhaus abgedeckt, der Boden in der Küche unter Wasser gesetzt und geschrubbt, die Edelstahlschränke anschließend nochmal saubergewischt und alles kommt wieder an seinen Platz. Diese Küche hat ihre beste Zeit schon hinter sich. Es ist unübersehbar, dass der Zahn der Zeit an vielen Stellen nagt und bereits hier und dort schon die Oberhand gewonnen hat. Die Einrichtung ist alt, aber sie funktioniert. Die Hygienemaßnahmen werden eingehalten und es herrscht eine Grundsauberkeit vor.
Mein Fazit des ersten Tages: Auch hier wird nur mit Wasser gekocht und es gibt viel zu wenig Equipment. Es fehlt nahezu an Allem. Gut, dass die Köche ihre Messer selbst mitbringen. Ohne Fahrradkurrier hätten wir nicht mal einen gescheiten Teigschaber, den "Schlesinger" oder Pfannenwender, die "Palette" hier. Auch ich habe mir schon ein Sortiment, inklusive Messermappe angeschafft. Die kommt morgen mit, denn mit diesen abgerissenen Messern möchte ich keinen zweiten Tag arbeiten. Möchte man sich hier selbstverwirklichen, ist eigentlich das gesamte Handwerkzeug eines Kochs selbst mitzubringen.

14. Können Fahrradkuriere kochen?



Bei meinem Arbeitgeber bekomme ich kurzerhand einen Monat unbezahlten Urlaub und bei einem befreundeten Maitre de Cuisine einen Praktikumsplatz. Ich kenne ihn von einem gemeinsamen Projekt das bereits Jahre zurück liegt.
Der Schnee ist frisch. Als Praktikant bin ich korrekter Weise mit dem Fahrrad angereist. Die angekündigte schwarze Tür finde ich nicht. Die Klingel auch nicht. Mein Fahrrad schließe ich an einem Laternenpfahl an, an dem für Parkplätze geworben wird die man über das Handy bezahlen kann. Der Zugang zum Restaurant könnte ich auch über den offiziellen Weg beschreiten. Gleich an der für Gäste einladenen Glastür rechts kann man einen Weg für Mitarbeiter wählen. Klingelt oder klopfet und es wird euch aufgetan. Die Anweisung hieß jedoch ausdrücklich "hinter" dem Restaurant die schwarze Tür. Da ich anständig erzogen worden bin marschiere ich brav wieder nach hinten. Ich möchte ja nicht negativ auffallen und schon gar nicht am ersten Tag. Es sei erwähnt, dass es sich um ein Restaurant handelt welches in vielerlei Hinsicht die ortansässige Regierung befüttert. Wieder am Hintereingang angekommen, der sperrangelweitoffen steht frage ich eine junge Fahrradfahrerin, ob sie wisse wo der Eingang zum Restaurant sei. Ich suche eine schwarze Tür. Ich dachte sie sei ein Fahrradkurier. Die Kleidung sportlich, Joggingstrech und souverän. Weiße Stöpsel in den Ohren. Entweder Headset oder IPod. Ich frage nach dem Eingang und bekomme die Antwort: "Na hier!" Logisch! Schließlich stehe ich auch direkt vor der Tür. Nur ist diese weit geöffnet und für alle Bonzenfahrzeuge und Lieferanten zugänglich. Wie sich herausstellt heißt der Fahrradkurrier "Franziska" und hat ebenfalls wie ich den ersten Tag in der Küche des Restaurants. Der Unterschied ist, dass sie bereits einige Tage Probearbeiten hinter sich hat und bereits weiss wie der Hase hier läuft. Ich hingegen bin völlig jungfräulich und weiß nichts.




 Franziska schickt mich nach "da lang, schräglinks". Hier öffne ich eine Tür und stehe unvermittelt in einer Restaurantküche. Ja! - Hier will ich hin. Ein junger schlanker Koch, der auf mich den Eindruck eines Auszubildenden macht steht am Herd und rührt wichtig in einem Topf. Ich stelle mich kurz vor und teile mit, dass ich der neue Praktikant sei. "Aha!" war die kurze Antwort. "Ich möchte gerne zum Küchenchef." Er stellt sich kurz vor. "Ich weiß von nichts und der ist heute nicht im Hause." sagte er kurz angebunden "....aber es wird schon seine Richtigkeit haben." meint er. Der Kommunikationsfluß scheint auf jeden Fall schon mal zu funktionieren, ist das was ich denke. "Wo kann ich mich denn umziehen?" ist das was ich frage. "Kennen Sie Sich hier aus?" "Nein, woher?" "Durch die Tür da! Warten Sie erstmal da draußen. Ich komme gleich!" " Okay." Ich mache mich vom Acker und warte im Gastraum. Zwei Minuten, Fünf Minuten. Zehn Minuten. Da sitze ich nun mit meiner sorgsam gepackten Tasche. Eine Kochhose, eine Kochjacke, devote weiße Knöpfe, rutschfestes Schuhwerk, eine Kopfbedeckung und meine Belehrung nach § 43 Abs.1 des Infektionsschutzgesetzes. Es vergehen zirka zwanzig Minuten, bevor sich jemand meiner annimmt.
 Mich beschleicht ein Gefühl der Glückseligkeit. 




"Kennen wir uns nicht?" die Frage des schlanken, schlacksigen Kochs. "Ich weiß nicht?" "Doch wir kennen uns." " Wenn Sie meinen." Ganz tief in meinen Erinnerungen kann ich mich wirklich nicht an ihn erinnern. Wie schon erwähnt, hatte ich seinerzeit mit dem Maitre an einem gemeinsamen Projekt gearbeitet und mich beschleicht eine Ahnung, dass wir uns zu der Zeit auch über den Weg gelaufen sein mussten. "Ich wüsste nicht woher." "Na wie dem auch sei. Umziehen ist hier. Pausenraum dort. Pinkeln da drüben. Such'n Se sich nen leeren Schrank und komm' se dann wieder nach vorne. Brauch'n se ne Jacke?" "Nein, ich hab alles dabei." "Bis gleich!"
"Franziska" ist ebfalls Köchin hier im Restaurant. Wie sich herausstellt ist sie ein ausführendes Organ. Gut ausgebildet, hoch motiviert und nur mindermäßig gefördert seit ihrer Ausbildung, die noch gar nicht so lange zurück liegt. Ich selbst gehe mittlerweile auf die vierzig zu. Alle anderen um mich herum haben noch eine zwei in ihrem Alter. Ich bin deprimiert. Man fragt mich aus, wieso, weshalb und mit welchem Ziel ich hier mein Praktikum mache. Meine Geschichte wackelt. Ungläubige Reaktionen. Ich bin mir nicht mehr so sicher, dass ich das hier durchhalte. Ihre Skepsis ist ja berechtigt. Ich erhalte meine ersten zwei Arbeitsaufträge. Müll rausbringen und Monsterzwiebeln schneiden.










Ich habe lange gebraucht, bis ich Schalotten, das sind diese kleinen wie Rugbyeier aussehenden Zwiebelchen, einigermaßen sauber schneiden konnte. Nun sind es allerdings die größtmöglich ausgewachsenen Gemüsezwiebeln. Mit einer Hand kaum zu halten. Geschweige denn im Klammergriff, sodass man sich nicht selbst in die Finger schneidet, wenn man mit niederfahrender Klinge das Zwiebelgemüse in "Brunoise" zerlegt. Wie man sich sicherlich denken kann habe ich mir zwar nicht meine Fingerkuppen, dafür meine Fingernägel sauber abgeschnitten. Jedoch nicht den Teil, der sowie so normalerweise übersteht, sondern das Horn flach über dem Nagelbett. Vielen Dank! Das Desinfektionsmittel in der Handwaschpaste erledigt den Rest.

Donnerstag, 4. Februar 2010

13. Oh ein Gast, oh ein Gast!




- oder wie ein einfacher Snack zu einem Event explodiert.
"Mensch, wir haben uns doch schon so lange nicht mehr gesehen. Kommt doch einfach nächsten Mittwoch mal rum, lass uns quatschen und ein bisschen was trinken." Kaum ausgesprochen und bestätigt wurde der Termin zum ersten Mal verschoben. Das zweite Mal, weil sich der Tag mit meinem Kochschulbesuch deckte. Wir weichen auf den nächsten freien Termin aus, was mich persönlich enorm unter Druck setzt. Zwei Tage Kochschule liegen hinter mir und dann am Dritten die Gäste.
In meiner Küche habe ich mich mit Rindfleisch jeder Art auseinandergesetzt. Ich habe einen dunklen Fond angesetzt und über vierundzwanzig Stunden köcheln lassen, habe Roastbeef bei 80° C langsam garen lassen und war völlig über dieses Geschmackserlebnis verzückt. Auch ein Filetsteak auf den Garpunkt genau kann ich als geglückt verbuchen. Eine Vielzahl an Hühnern dienten mir als Trainingsmaterial, um diese auszulösen, im Ganzen und in Teilen zu garen. Hühnerfond, Coq au vin, Brathühnchen, Frikassee und Hühnerbrühe mit Einlage sind Bestandteile meiner Kochübungen gewesen. Für den Fischexkurs dienten mir mehrere Doraden. Dorade Royal - das sind die mit den Krönchen. Die Anschaffung eines Filettiermessers sollte mir die Arbeit erleichtern, jedoch nicht perfektionieren. Dorade auf dem Gemüsebett, Dorade auf der Haut, Dorade im Ofen und Doradenreste als Fond angesetzt. Ich sag' nur Mittelgräte. Wussten Sie, dass die Bäckchen als Delikatesse gelten? Ich nicht. Das ist warscheinlich genauso wie die Stücke des Hühnchens, welche sich auf der Unterseite des Knochenbaus befinden. Weiß jemand, was ich meine? Ich mache mich nochmal schlau und werde diese Teile noch mal thematisieren. Ich fahre fort mit Kartoffeln und Kartoffelbrot. Besonders erwähnenswert sei hier die italienische Focaccia. Erst hier und natürlich auch bei anderen Gerichten wird einem die Beschaffenheit von Kartoffeln entweder zum Verhängnis oder entwickelt sich zu einem Segen. Wir unterscheiden in mehlig kochende Kartoffeln, nicht geeignet für Bratkartoffeln. Festkochende Kartoffeln, nicht geeignet für Kartoffelteige, wie eben erwähnte Focaccia. Um mit der dritten Kategorie abzuschließen seien noch fix die vorwiegend festkochenden Kartoffeln erwähnt. Perfekte Bratkartoffeln kann man im Übrigen mit Zwiebeln echt versauen oder auch verfeinern.
Was mir fehlt ist neben der Schweinerei, die ich in meiner Küche veranstalte, die große Sauerei auf dem Teller.
Schweine sind enorm intelligente Tiere. Ich persönlich siedele Schweinefleisch geschmacklich eher auf neutralem Terrain an und mir selbst gibt Schweinefleisch nur sehr wenig. Ein paniertes Schweineschnitzel gehört doch eher in die Pommesbude oder in das Bratwurstglöckle. Schweinefleisch ist das, was gerne in Wurst verarbeitet wird. Im Durchschnitt verzehrt der Deutsche bis zu 54kg Schweinefleisch im Jahr. Dazu gehören natürlich auch die Bratwürtstel der Grillsaison, wie auch das Grillfleisch. Persönlich lehne ich allerdings Produkte aus Schweinefleisch eher ab. Ich empfinde Schweinefleisch, weder als kulinarischen Genuss, noch als anständig und sauber. Im Judentum und im Islam ist Schweinefleisch verpöhnt. Wenn ich im Supermarkt eine Kalbsleberwurst kaufe, dann besteht dies zu siebzig Prozent aus Schweinefleisch. Warum darf sich diese Wurst überhaupt noch Kalbsleberwurst nennen? Hierzu kann Ihnen bestimmt der Gesetzgeber eine passende Antwort geben. Ein fein ausgeklügeltes Regelwerk wird das schon hinbekommen, das sich alles Kalbsleberwurst nennen darf, an dessen Brät eine Kalbsleber vorbeigetragen worden ist. Ist vielleicht politisch auch korrekter. Wir haben den Kopf, der gerne zu Sülzeverarbeitet wird. Passt prima zu Bratkartoffeln und Remouladensoße. Rücken- und Nackensteaks erheitern die Grillmaster der Gartenkollonien. Ein Eisbein gilt nicht umsonst als Cholesterinbombe. Teile wie Speck und Schinken sind beliebt und als spanische Panchetta oder italienischer Parmaschinken besonders schmackhaft. Die Spanferkel oder auch Milchschweine tun mir besonders leid. Keine sechs Wochen alt und noch während der Stillzeit geschlachtet, als besonders zartes Fleisch gehandelt dienen sie als kulinarische Delikatesse. Das was mich daran am meisten stört ist die Tatsache, dass sie mich besonders an meinen Hund erinnern. Solange Tiere noch ein Gesicht haben fällt es mir besonders schwer, diese zuzubereiten oder gar zu essen. Spanferkelbraten am Stück kostet mich enorm viel Überwindung, während Spanferkelrollbraten mir locker und leicht über den Gaumen und durch die Speiseröhre rutscht. Was ich damit sagen will, ist dass Schweinefleisch nicht zu meinen liebsten Gerichten zählt. Das mag aber auch damit zusammenhängen, dass mein damaliger Hals- Nasen- und Ohrenarzt mir empfahl meine Mandeln als Erwachsener herausnehmen zu lassen, oder reichlich Schweineschnitzel zu essen. Hier seien ausreichend antibiotische Stoffe enthalten, um der chronischen Entzündung Herr zu werden. Ich muss gestehen, dass ich tatsächlich vor zwölf Jahren das Schweineschnitzel der Operation vorgezogen habe. Letztlich habe ich die Schweineschnitzel gegessen und die Operation durchgestanden.
Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob Schwein auf einen Gourmetteller gehört. Außer in Form von Schinken natürlich. Mein Ding ist es nicht, es gibt allerdings Ausnahmen.
Um das Thema Schweinefleisch habe ich lange einen Bogen gemacht. Beim Einkaufen von Grundutensilien stelle ich fest, das ein ortsansässiger Fleischer Schweinebauch ohne Knochen anzubieten hat. Schnell fällt mir ein Rezept ein, das ich mal in einem Kochbuch aufgeschnappt hatte. Als Snack werde ich also eine Porchetta mit Kräutern machen. Dazu Rosmarinkartoffeln. Ein paar mehr Gäste wären nicht verkehrt. Ich erinnere mich an Freunde, die bestimmt gegen eine Schweinefleischverkostung nichts einzuwenden haben. Ich lade ein. Es wird zugesagt. Nun sind wir vier und ich mache mir Gedanken über ein Menü. Ein weiterer Freund, der von meinen Plänen Wind bekommt lädt sich ein. Er ist herzlich willkommen. Doch steckt er die Messlatte dadurch für mich so enorm hoch, dass ich mich nicht traue es bei dem Schweinebraten zu belassen. Ich brauche eine Vorsuppe und ein Dessert.
X minus 24 Stunden. Es ist der letzte Tag in der Kochschule und ich hole mir die letzten Instruktionen. Als ich gegen Mitternacht nach Hause komme finde ich ein Motto. X minus neunzehn Stunden. Das Menü steht. Hier die Fassung, wie sie auch serviert worden ist, wenn auch ursprünglich und teilweise anders geplant.

Welcomedrink, dazu Chorizohäppchen, Brot, Butter und hausgemachter Farce aus Schweinefilet 
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Parmesanbällchen auf winterlichen Blattsalaten mit Parmaschinken an altem Balsamico 
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 Rotkrautsuppe mit handgerollten Klößen auf Schweinegrammerln 
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Auf dem Kräutersud gedampftes Schweinefilet an Gemüsen der Saison 
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 Spanferkelrollbraten mit Steinpilz- Kräuterfüllung auf einem Fenchelbett 
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Zitronenparfait mit tropischen Obstsalat, garniert mit Schweineohren


Ein Motto ist gefunden: "Eine riesen Sauerei" Ich geh schlafen, denn morgen früh möchte ich gleich in die Metro fahren und einkaufen.
X minus zwölf Stunden. Der Hund hat erledigt, was er zu erledigen hat. Ich komme ein wenig in die Bredouille, denn am Monatsende bin ich nicht mehr so flüssig. Mir ist jedoch klar, dass ich bei meinem Vorhaben zu keiner Stunde, ja zu keiner Sekunde auf den Geldbeutel achten darf. Mir ist daran gelegen alles von Hand zu machen und nur beste Zutaten zu verwenden. Der Einkaufszettel ist geschrieben und ich habe mir fest vorgenommen nur das zu besorgen, was ich tatsächlich für diesen großen Abend benötige. Um sechs Uhr fünfundvierzig rolle ich mit meinem Einkaufswagen durch die Metrotore. Die Gastroabteilung zieht mich schon wieder magisch an. Es liegen schon wieder fünf Teile in meinem Wagen, die ich gut gebrauchen kann, jedoch für diesen Abend nicht zwingend benötige. In der Weinabteilung entschließe ich mich sinnvoller Weise dazu alle Gastroartikel wieder zurück zu bringen und dafür mehr in den Wein zu investieren. Es werden verschiedene italienische Rot- und Weißweine zum Schwein geboten. Ein mundiger Sekt zum Auftakt. Mit dem Thema Prosecco bin ich ziemlich durch. Das war so eine Mode vor vier Jahren, aber irgendwie ist mir das Priggelwasser einfach zu schal. Ein Sekt, vielleicht ein guter Sekt gurgelt da schon perliger die Kehle runter. Der Einkaufswagen füllt sich. ich mache schmerzliche Erfahrungen, wie sie wohl ein jeder Gastronom machen muss. Es ist nicht alles da, was auf meinem Einkaufzettel steht. Ich bin aber ziemlich an meine Rezepte gebunden, da ich das Handwerk einfach noch nicht so gut verstehe, das ich eins - fix - drei aus einigen wenigen Zutaten ein meisterliches Menü zubereiten könnte. Mir steht der Schweiß auf der Stirn und die Zeit sitzt mir im Nacken. Aus dem Schweinebauch ohne Knochen wird der Spanferkelrollbraten. Die winterlichen Blattsalate sind von Bonduelle und kommen aus der Tüte. Rosmarin, Thymian und einige andere frische Kräuter bekommt man in Großgebinden hinterhergeschmissen. Für die Rosmarinkartoffeln verwende ich die Larattekartoffel, die ein feines nussiges Aroma hat. Aus getrockneten Steinpilzen werde ich eine Brühe ansetzen, die ich für die Salatsoße verwenden möchte. Tropische Früchte finde ich zu Hauf.
X Minus sieben Stunden. Das Rotkraut köchelt und verbreitet in der Wohnung einen stinkenden Geruch. Ich weiß nicht woran es liegt. Das Rotkraut ist auch schon über vierundzwanzig Stunden am Gären und am Ziehen. Einmal mehr habe ich die Erfahrung gemacht, das man mit der typischen Winterkräutermischung aus Piment, Nelken, Wacholder und Loorbeer sehr und zwar sehr sehr sparsam umgehen muss. Nun beginnt für mich ein wildes durcheinander an Vorbereitungen. Die Gemüse werden geschnitten. Kartoffeln für den Kloßteig gekocht. Der Rollbraten entrollt, gefüllt und wieder neu zusammengerollt. Der Teig für die Parmesambällchen vorbereitet. Der Brotteig muss gehen. Der Kräutersud zusammengestellt werden. Das Filet ist verarbeitungsfähig. Die Stücke werden geschnitten aus dem Rest mache ich die Farce. Diese ist frisch und kann und darf nur heute gegessen werden. Reinlichkeit ist oberstes Gebot. Für die Farce brate ich das Fleisch kurz an, gebe Ei und etwas Weißbrot hinzu, würze mit frischen Kräutern und schmecke mit Noily Prat, einem äußerst trockenen Wermut ab. Nun wird alles mit dem Pürierstab aufs Kleinste zermalmt. Ich gebe kräftige Kräuter, wie Fenchelsamen, Pfefferkörner und ein paar ganze Korianderkörner in den Mörser. Anschließend gebe ich alles in die "Flotte Lotte". Der aufmerksame Koch oder auch der interessierte Leser hat meinen Fehler schon lange bemerkt. Ich zu dem Punkt noch nicht. Das Ergebnis war keine glatte Masse sondern eine äußerst üble faserige Substanz. Beim Passieren ist nur die Flüssigkeit durchgegangen. Die fleischlichen Bestandteile blieben im Sieb zurück.
Selbst mein Hund hat die Reste verschmäht, was allerdings an der kräftigen Würzung liegen mochte. Ich bekomme hektische Flecken. Die Farce ist ja nur zum "Gaumen kitzeln" gedacht gewesen und damit bin ich bestimmt nun schon seit zwei Stunden zu Gange. Alles nochmal von vorne. Dem Internet sei Dank. Fehler gefunden. Für Farcen wird rohes Fleisch verwendet, daher auch nur die kurzen Haltbarkeiten. Hier gelten gleiche Regeln wie für Hackfleisch. Die Soße verwende ich als Grundlage für das Salatdressing.
Ich tue rohes Schweinefleisch mit etwas Toastbrot ohne Rinde in den Kutter. Gieße gleichzeitig etwas Sahne mit hinzu, ergänzend noch die Gewürze und schmecke das ganze zum Schluss mit Salz und Pfeffer ab. Danach kommt das ganz für 35 min. bei 100 ° C in den Ofen. Perfekt! Nun geh ich mit dem Hund raus. X Minus vier Stunden. Ich treffe Jerôme mit seiner Hündin. Ich stinke nach Küche. Noch immer liegt Schnee draußen. Mein Köter hat wohl gemerkt, dass ich heute nicht viel Zeit für ihn habe. Kurzerhand lade ich Jerôme mit seiner Frau zum Abendessen ein. Es ist sowieso zu viel. Jerôme ist Franzose und an die sechzig Jahre. Er sagt kurzerhand zu. Mit oder ohne Frau, aber er sagt schonmal zu. Diese Einladung habe ich nicht ganz ohne Berechnung ausgesprochen. Er ist mein französisches Barometer. Wenn jemandem kulinarisch voll und ganz vertraue, dann ist es Jerôme. Wir treffen uns seit geraumer Zeit all Morgendlich beim "Gassi"-gehen mit unseren Hunden. Beide sind wir froh, dass unsere Hunde sich so gut vertragen und sich selbst ordentlich "auspowern". So bleibt uns mehr Zeit zum Quatschen ohne dass man im Stechschritt mit den Hunden durch den Wald laufen muss. Eine Stunde Begegnung mitten im Wald und mit den Hunden erspart mit den langen Auslauf am Nachmittag. Da ist mein Köterchen recht genügsam.
Die Sache ist abgemacht. Jerôme kommt zum Essen. Mit Sicherheit wird er wieder einen Wein bringen, den er mal eben schnell aus dem Regal gegriffen hat, den ich mir aber niemals mal eben so zum Essen gönnen würde. Und so war es dann auch. X minus drei Stunden. Das Brot ist geformt und geht noch ein paar Minuten. Der Braten ist gerollt und klar zum Garen. Der Sud ist kurz hochgeheizt und die Friture klar zum ausbacken der Parmesanbällchen. Die Rotkohlsuppe ist fertig. Die Klöße auch. Die Grammerln und die Klöße gebe ich erst kurz vor dem Servieren noch mal kurz in ein wenig Butterschmalz in die Pfanne. Das Kreuz lahmt und ich rieche unter den Achseln.
X minus zwei Stunden. Eine Freundin kommt vobei und hilft mir beim Abwasch. Eigentlich sollte das Essen in der Küche stattfinden. Kurzerhand disponiere ich um und decke im Wohnzimmer ein. Es wird geräumt und geschoben. Die Weingläser poliert, die Tischdecke aufgedeckt. Die vielen kleinen schwarzen Hundehaare schmälern das Ambiente. Wie kommen die eigentlich auf die Tischdecke. Schnelle Abhilfe ist gefragt. Meine Küchenhilfe hat einen Trick parat. Die Gedecke stimmen. Drei Gabeln links, vier Messer rechts, ein Suppenlöffel und Dessertbesteck. Noch immer erwarten meine Gäste einen kleinen Snack, bzw. einen schönen Abend mit einem schönen Schweinebraten. Ich freu mich diebisch. Meine Freundin fragt mich berechtigter Weise, ob meine Gäste überhaupt zu schätzen wissen, was ich hier für sie vorbereite. Ich behaupte kühn, dass sie damit zwar nicht rechnen, aber es durch aus zu schätzen wüßten. Und dem war denn auch so.
X Minus sieben Minuten. Die Parmesanbällchen sind geformt und der Salat vorbereitet. Die Dressings parat. Nur ich sehe noch aus wie Schwein. Na das passt ja. Ich husche ins Bad und ins Schlafzimmer und ziehe mich fix um. Die Jeans bleibt. Nur stilvollerweise bekleide ich mich mit einer Kochjacke. Ich würde niemals hochstapeln und so bestücke ich die Jacke mit weißen Knöpfen. Ich bin ein Lehrling. Als der letzte Knopf geschlossen ist klingelt es an der Tür.
X. Es ist 19:00h. Ich bin etwa zehn Minuten im Verzug. Ich denke, das kann sich sehen lassen. Die ersten Gäste kommen. Es sind die ursprünglich eingeladenen Gäste samt Neugeborenen. Es gibt Sekt, für die junge Mutter Wasser und Chorizohäppchen. Die Lunte wurde entzündet. Nun gibt es keinen anderen Weg als nach vorne. Der Abend möge beginnen.
Ich fasse nur kurz zusammen, denn die Menüfolge hat perfekt ineinander gegriffen und auch die Rückmeldung meiner Gäste ist durchweg positiv. Die Tatsache, dass sich eine Freundin erst später unserem Kreise anschließen konnte machte es für mich nicht weniger spannend, da ich gleich testen konnte, wie ich auf Unvorhergesehenes reagieren konnte. Der einzige, der nicht kam, war der Freund, der sich fluchs schnell selbst zum Schweinbratenessen eingeladen hatte. Gerade ihn hätte ich ausgesprochen gerne an meiner Tafel gehabt.
Der Franzose hat mich und mein Essen in den höchsten Tönen gelobt. Ich bin begeistert. Dies ist mein persönliches Schlüsselerlebnis und ich ziehe das Fazit dieses Abends: "I need applause....!!"