Mein persönliches Highlight: VOX - das perfekte Dinner

Wen es interessiert, wie ich die Produktionszeit des "perfekten Dinners" auf VOX erfahren wird hier fündig. Der Produktionszeitraum für die Sendewoche vom 05. bis 09. März war gleich zu Anfang des Jahres - also etwa acht Wochen vor der Sendung.

Mit meinem Gastgebertag am Freitag endet eine anstrengende Woche und vorerst auch dieser Blog. Zu einem Stern habe ich es zwar nicht gebracht, aber kochen, das hab ich gelernt.

Dienstag, 30. März 2010

24. Am I mad?

- oder bin ich verrückt?

Es ist ein Donnerstag, kurz vor Feierabend. Ab morgen halte ich mich für fünf Tage im Norddeutschen Raum auf, um ein Projekt zu betreuen. Alle Unterlagen sind zusammengestellt, alle Koffer gepackt. An diesem Tag verabschiede ich mich bereits um fünf Uhr Nachmittags von meinen Kollegen. Die Sonne scheint und es ist warm. Mein Weg sollte mich leider nicht direkt nach Hause führen. In der Innenstadt mache ich einen Abstecher in ein Küchenfachgeschäft. Dieser Laden ist tückisch und verteufelt. Das blankgeputzte Edelstahl übt auf mich die gleiche Anziehungskraft und Faszination aus, wie die Auslagen der Juweliere auf so manche Damen der Gesellschaft. Bedienen wie an der Käsetheke, koste es was es wolle. Dort blitzen Serviettenringe, weiter hinten locken Espressomaschinen und blankpolierte Stielkasserollen. Eine dreieckige Terrinenform flüstert in einem fort: "Nimm mich mit, nimm mich mit!" Von den Dessertringen, sechs Zentimetern, habe ich bei weitem nicht genug. Und so geht es weiter. Allerdings lodern die Flammen heute eher für die rubinrötlich schimmernden Kupfertöpfe. Fest entschlossen mir mindestens einen davon mit nach Hause zu nehmen stöbere ich so durch die Regale. Langsam pirsche ich mich an. Die Verkäuferin hat mich bereits im Visier. "Nein danke, ich brauche keine Beratung!" Das geht bloß nach hinten los. Wie zufällig schlendere ich um die Backförmchen, fingere an einer Kartoffelpresse herum und schleiche mich langsam an die Töpfchen heran. Sie sind schwer. Ergonomisch enorm gut geformt. Das Gewicht und die Lage in der Hand regen den Speichelfluss von ganz alleine an. Der Boden sehr dick. Auch wenn der Topf gerade geformt ist, suggeriert die haptische Wahrnehmung eher eine Bowlingkugel. Geil! Die Schmuckstücke sind nicht ausgezeichnet. Diese Biester! Ich komme vermutlich nicht drum herum, die auf mich lauernde Verkäuferin fragen zu müssen. "Einhundertfünfundsiebzig hier der normale Stiltopf, der etwas kleinere mit einem Fassungsvermögen von siebenhundertfünfzig Millilitern einhundertfünfundvierzig und der Normale hier für zweihundertfünfundzwanzig, diese Größe brauchen sie aber auch." Es ist so als liefe man ungedeckt ins Salvenfeuer von Scharfschützen. Der tödliche Schuss wird von der Kreditkarte abgefangen, die sich wie ein Schutzengel in der oberen Reverstasche befindet. Ich verschiebe den Kupfertopfkauf auf einen anderen nicht näher bestimmten Tag und kaufe einen Spiralschneider, mit dem selbst Lafer schon Spiralen geschnitten hat. Man will ja nicht als gänzlicher Depp dastehen. Da es aber im Prinzip ja auch Töpfe sein sollten kaufe ich zudem zwei Sauteusen zu je neununddreißig Euro. Edelstahl nicht Kupfer. Ich bin süchtig. Wie jeder Junkie versuche ich offensichtliche Spuren zu verwischen. Noch ein Kochbuch und dann ab zur Kasse.
In der hiesigen Markthalle versuche ich mir einen Eindruck über Angebot und Frische zu verschaffen. Das wird schwierig, da auch hier die Feierabendglocken bereits geläutet haben. Vielleicht gönne ich mir noch einen trockenen Wein und lasse die Lebensmittelwelt einfach auf mich wirken. Da entdecke ich in einer Auslage einen Ochsenschwanz. Sieben Euro neunzig - gekauft. Einen Stand weiter wird der Fisch für den nächsten Tag auf Eis gebettet. Drei Tiger Shrimps müssen es noch sein. Weitere Dreizehn Euro. Am Käsestand noch acht Euro Fünfzig für eine Belper Knolle und für Gemüse verschiedenster Art nochmals zirka zehn Euro. Ich muss hier raus. Ab nach Hause. Meine Gedanken fahren Karussell. Wann soll ich denn das noch zubereiten? Ich bin ab morgen früh für fünf Tage auf Achse. Einfrieren? - Na daswäre schade drum. Wenn ich heute noch kochen würde, dann brauche ich weitere Zutaten. Da fehlt mir noch einiges. Auf dem Rückweg mache ich noch einen Stopp im Supermarkt. Bin ich eigentlich verrückt?


Was bleibt mir eigentlich übrig, als die Kochplatten hochzufahren und all das gute Zeug heute noch zu verarbeiten. Der Ochsenschwanz wird angeröstet, mit ihm Sellerie, Petersilienwurzel, Möhren und experimentellerweise auch noch eine Knolle Topinambur. Nachdem alles schön Farbe bekommen hat röste ich etwas Tomatenmark mit an. Das ganz lösche ich mit etwas Weißwein ab und fülle dann mit Wasser auf. Simmern lassen für die nächsten fünf Stunden.


Ich widme mich den Tiger-Shrimps. Kochen nach Kochbuch. Kopf abdrehen, Schale knacken und Darm entfernen. Klingt ekliger, als es ist. Ist der Darm nicht voll, findet man ihn auch nicht und kann ihn getrost dort belassen, wo er ist. Allerdings mögen sich die Geister hier streiten. An einem der Tierchen lasse ich die Spreizflosse dran, soll doch nett aussehen. Mit etwas Öl und Knoblauch brate ich die Krabbler kräftig aber kurz an, so dass sie ein leicht glasiges Inneres behalten.

Das "Risotto alla milanese" wird klassisch zubereitet. Schalotten mit Süßrahmbutter anschwitzen, anschließend Risottoreis hinzugeben und mit Weißwein ablöschen. Mit dem Gemüse- und Fischfond immer wieder aufgießen und einkochen lassen, bis der Reis cremig wird, jedoch noch Biss hat. Lecker, einfach Lecker. 

Man beachte den "Schwanzhund" hinter mir. 


Um 23:30h habe ich den Herd ausgeschaltet und bin ins Bett gegangen. Den Ochsenschwanz habe ich am kommenden Tag um 6:00h passiert und einmal geklärt. Anschließend eingefroren. Aus dem weichgekochten Fleisch habe ich eine Terrine gemacht. Um das Anrichten mache ich mir Gedanken, wenn ich wiederkomme. Abfahrt 10:30h!

Du bist verrückt, mein Kind!

Donnerstag, 25. März 2010

23. Wer mit den großen Hunden pinkeln will!


Um mir selbst einen Eindruck zu verschaffen, was in der gehobenen Gastronomie so alles geboten wird, reserviere ich kurzerhand und schaue einfach selbst nach. Ichmuss gestehen, es verlässt mich ein wenig der Mut. An die sternedekorierten Restaurants wage ich mich noch nicht ran. Habe ich doch selbst mein Praktikum in einer Küche absolviert, die vorrangig Schulen und Kindergärten verpflegt. Nach meinen vielen Versuchen selbst Appetitlichkeiten auf den Teller zu bringen, halte ich es nun schlicht weg an der Zeit selbst zu schauen, was auf dem Markt so geboten wird. Ein passendes Restaurant zu finden ist allerdings gar nicht so einfach. Auf dem Weg von meiner Wohnung zum nächst gelegenen Supermarkt habe ich fünfmal die Gelegenheit einzukehren. Und der Supermarkt ist wirklich nicht weit weg. Davon sehen zwei aus, als böten die Gastronomen mehr als nur Bistroküche. Eine Suche im Internet bleibt zunächst ebenfalls erfolglos. Geben Sie mal 'Toprestaurant' und ihren Städtenamen ein. Man wundert sich wie viele Toprestaurants die eigene Heimatstadt besitzt. Eigentlich logisch. Sollte ein Restaurant damit werben, dass dort totaler Murks gemacht wird? Auch mit 'Gourmetrestaurant', 'Haute Cuisine' oder 'Feinschmeckerlokal' wird die Internetsuche nicht besser. Am Besten ist doch immer noch Mundpropaganda. Nur kenne ich kaum Leute, die in Hochpreisigen und hochdekorierten Wirtsstuben verkehren. Auf der Suche nach den Sternen habe ich herausgefunden, dass in meiner Gegend sich gerade mal drei Einsterner im Umkreis von zirka achtzig Kilometer befinden. In der Stadt, in der ich lebe - Fehlanzeige. Dann gibt es da die Restaurants, von denen man schon gehört hat und die, die man schon mal gesehen hat. Wer oder was gibt also Auskunft über die Qualität unserer Restaurants? Klar, wir haben den Michelinführer, den mit den Sternen. Dann gibt's da noch das Punktesystem von Gault Miliau, die Vartaempfehlungen, die Bertelsmannhauben, den Bib Gourmand und den Arallöffel. Vermutlich gibt's noch einige mehr. Apropos Aral, wussten Sie, dass der Michelinführer ursprünglich mal einen französischer Tankstellenführer für Fernfahrer gewesen ist?
Ich ziehe die Sache nun von hinten auf. Ich klappere die Restaurants ab, die in Frage kommen und schaue, ob ich hier Einträge, Empfehlungen oder sonstige Hinweise im Internet bekomme. Und Tatsächlich, so rum funktioniert es. Ist allerdings unpraktisch, wenn man als Besucher in unsere Stadt kommt. Ich merke schon wieder, es hängt alles vom eigenen Anspruch ab. Und mein Anspruch ist hoch.
Samstagabend. Tisch für zwei. Das Ambiente modern und kühl, jedoch nicht uncharmant. Indirektes Licht und Teelichter auf den Tischen. Der Empfang korrekt und herzlich; aufmerksam.



Befremdlich ist die Art wie eingedeckt wird. Wen mehrere Besteckteile auf dem Tisch irritieren, hat hier erst richtig Schwierigkeiten. Kennen wir doch seit Pretty Woman die grundlegendste aller Grundregeln, nämlich die Bestecke von außen nach innen entsprechend den einzelnen Gängen zu benutzen. Hier liegen die Besteckteile jedoch oberhalb des Platzes in doppelter Ausführung dort, wo normalerweise das Dessertbesteck zu liegen hat. Ein Kaffeelöffel direkt auf dem Platz und ein Suppenlöffel keck in einem fünfundvierzig Grad Winkel gespreizt. Nun ja, was ist schon normal. Ich persönlich tendiere doch eher für klassischen Service und bevorzuge die Avantgarde in der Küche. Der Gruß aus der Küche, eine Parmesanmousse mit einem krossen Schinkenspeckstreifen war geschmacklicheinwandfrei. Das Glas, in dem es serviert wurde, die Mousse und auch der Schinkenstreifen waren kalt. Der Gruß schickte ebenfalls fröstelnde Boten aus dem Kühlraum mit. Ein Auftakt, der auf mich den Anschein von Vorbereitung erweckte und nicht von frisch zubereitet. Dabei soll doch das 'Amuse' Lust auf mehr machen. Das Brot ist lecker und wird mit Olivenöl gereicht. Auf Wunsch ist Butter zu bekommen. Das Öl ist mit Trüffelöl angehaucht.



Die Vorspeisen sehen gut aus und verströmen einen angenehmen Duft. Geschmacklich ausgewogen, die Wachteln zart. Der Linsensalat wurde mit frischen Kräutern angemacht, die ich nicht identifizieren konnte. Ich tippe auf Sauerampfer, liege aber vermutlich total daneben. Der Salat wird üppig auf einer Schieferplatte serviert. Rucola mit Parmesan, eingerahmt durch Parmaschinken. Weniger wäre mehr gewesen. Das Anrichten auf der Schieferplatte ist zwar kreativ, aber unpraktisch. Es ist nahezu vorprogrammiert sich Teile des Salates in den Schoß zu schütten. Die Zusammenstellung klassisch überzeugend.
Die Suppe ist schaumig, cremig und überzeugt durch geschmackliche Einzigartigkeit. Obwohl Ingwer durch seine Schärfe nicht so ganz mein Fall ist und Gerichten ganz schnell eine asiatische Note geben kann, sind hier die Komponenten fein aufeinander abgestimmt.
Die Jakobsmuscheln schmecken so wie Jakobsmuscheln schmecken sollten. Die Sauce aus Orangen, Grapefruit, Butter und Pfeffer, sowie roten Beeren, ist für meinen Geschmack etwas zu säuerlich. Zudem durch die Grapefruit recht bitter. Die Kombination von bitter und sauer ist nicht glücklich gewählt. Die Butter schmeckt man leider kaum raus. Optisch gut gelungen. 



Die Wartezeit bis zum Hauptgang ist mit einer knappen Dreiviertelstunde recht lang gewesen. Das Rinderfilet ist, obwohl nicht nach der Garstufe gefragt wurde perfekt. Butterweich, durchgängig rosa und von weichem und harmonischem Geschmack. Optisch schön angerichtet und mit frittierten Kräutern garniert. Dazu eine feine Sauce, von der man ausgehen kann, dass sie im Hause angesetzt worden ist und zur Demi Glace eingekocht wurde. Eine Freude. Man kann zu recht behaupten, die Hauptspeise ist die Krönung.
Leider kann man das von der Pasta nicht behaupten, die bedauerlicherweise eher etwas fade daher kommt. Da die Karte keine vegetarischen Gerichte zur Auswahl stellt, wurde dieses Hauptgericht ohne die Riesengarnelen bestellt und so bleibt sie wie sie ist, geschmacklich eher langweilig.

Die abschließende Käseauswahl ist eher schwach zusammengestellt. Ausnahmslos Käsesorten von der Stange.  Das Früchtebrot und der Feigensenf sind wahrlich geschmacklich einfallsreiche Beigaben, nur hätte mich das besondere Stück Käse mehr überzeugt. 

Der Service ist durchgängig hervorragend und aufmerksam. Die richtige Verkaufsförderung an der richtigen Stelle. Angenehme Empfehlungen, wo nötig. Die Damen sind äußerst zuvorkommend und Hilfsbereit. Der Preis ist für das, was man geboten bekommt gerechtfertigt.

Dieses Restaurant ist mit dreizehn Gault Millau Punkten ausgezeichnet. Diese stehen für eine sehr gute Küche. Allerdings stehen 12 Punkte nur noch für eine ambitionierte Küche. Und ambitioniert sollte ein Koch doch mindestens sein.

Mittwoch, 24. März 2010

22. Reste




Frühlingshafte Temperaturen sorgen dafür, dass alle sich besser fühlen. Um ziemlich genau 18:00h fällt der Hammer - und zwar für alle. Wir haben Feierabend. Eine Kollegin erzählt mir von Ihren großen Träumen, eine andere von ihrem Dasein als Schwangere und dem "kaum erwarten können, Mutter zu werden!"
Als ich heute überpünktlich nach Hause komme wartet mein Köter schon sehnsüchtig auf mich. Aus meinen Winterschuhen hat er die Einlagen und die Schnürbänder herausgezogen. Eine Küchenkrepprolle hat er bis auf die Pappe aufs kleinste zerfetzt und damit sorgsam sein Nest ausgepolstert. Stolz schaut er zu mir auf. Vermutlich soll ich nun auch noch seinen Einfallsreichtum loben.
Erst beseitige ich das Körbchenchaos, dann das in der Küche. Am Wochenende sind einfach zu viele Sachen übrig geblieben. Und diese einfach zu entsorgen tut mir in der Seele weh. Also heißt es heute: Resteverwertung.
Da ist ein Netz mit Birnen, zwei Kräuterseitlinge, zwei aufgetaute Kabeljaufilets, noch nicht ganz vertrocknete Kräuter wie Dill, dann noch Eier, Kapern und ein Glas fertiger Fischfond. Der Rest Schinken steht zwar noch nicht kurz vor dem Verfall, wird aber trotzdem mit verwertet.


Ich wickele den Schinken in die Kabeljaufilets, brate diese scharf in einer Pfanne mit Traubenkernöl an, um die Wickelnaht zu verschließen. Wende die Rollen, um noch ein bisschen Farbe mitzugeben und lasse die Fischwickel im Ofen fertig garen. Zartweizen lasse ich in Salzwasser garkochen. In einer anderen Kasserolle bräune ich ein paar Schalotten in Traubenkernöl an. Ergänze kurz darauf mit den fein in Scheiben geschnittenen Knoblauchzehen und den in kleine Würfel geschnittenen Kräutersaitlingen. Das ganze lösche ich zum einen mit Marsala und zum anderen mit Noilly Part ab. Dann lasse ich es sirupartig einkochen und gebe karamelisierteBirnenspalten hinzu. Zum Abschluss kommt frisch gehackter Dill und etwas Salbei an die Mischung. Salz, Pfeffer, lecker. In das Kochwasser vom Zartweizen löse ich etwas Stärke in der Hoffnung, dass dieser dadurch ein bisschen mehr verklebt. Für die Soße setze ich eine klassische Velouté mit dem Fischfond an. Verfeinert mit ein paar Kapern und einem Schuss Kapernwasser. Etwas Salz und ein Spritzer Sahne runden die Soße ab.

Angerichtet wird im Dessertring. Erst der Weizen, dann die süßlich, säuerliche Pilzmischung, zum Schluss setze ich zwei Scheiben von der Fischrolle oben drauf. Die Soße drum herum und das ganze garniere ich mit etwas Dill. Alles in allem habe ich mit Abfotografieren, Essen und Abwaschen nur etwas mehr als eine Stunde gebraucht. Zur Tagesschau lümmel ich schon auf der Couch.

Dienstag, 23. März 2010

21. "Go around!"





Das ist die Anweisung der Flugsicherung oder auch ein Verfahren im Luftverkehr zum unverzüglichen Durchstarten. Der Luftraum ist voll. Die Flughäfen auch. Die Wege zum Ziel sind vorgeschrieben. Zuweilen erreicht man sein Ziel nur in Etappen und hin und wieder ist man gezwungen in einer Notsituation einen anderen Zielort aufzusuchen. Ein Pilot wird gezwungen durchzustarten, wenn der Wind zu stark von der Seite bläst. Oder falls noch eine andere Maschine auf seiner Landebahn steht. Auch plötzlicher Rückenwind kann zur Entscheidung führen, auf eine andere Landebahn auszuweichen. Ganz zu schweigen von wildesten Wetterbedingungen.

Aus lauter Trotz habe ich mir kindisch auf die Unterlippe gebissen. Ich habe mich schmollend in eine Ecke verdrückt. Tödlich beleidigt, naiv und unwissend. So etwas kann nur zum Crash führen. In diesem Fall wäre hier schon alles vorbei. Also sortiere ich meine Sinne. Da sind die Ziele, da sind die Wegpunkte. Ziele können auch Ausgangspunkte sein und manchmal führt der direkte Weg zum Ausgangspunkt zurück. Ich bin doch nicht der Einzige der hier das Kochen für sich entdeckt hat. Was bleibt ist: Durchstarten!





In einer örtlichen Feinkostabteilung bekomme ich Zander auf der Haut - zwei Filets. Kabeljau für die Farce. Wachteln für die Vorspeise und Lammkarree als Hauptgang. Um die 'nichtvegetarischen" Bestandteile herum gesellen sich frische Kräuter, Gemüse und sonstige Beilagen. In der Spirituosenabteilung leiste ich mir einen alten Cognac. Pfeifend komme ich nach Hause. Das frühlingshafte Wetter draußen und der Duft kalter Bratausdünstungen und Spüli drinnen sorgen für beste Laune. Anders als in den Restaurantküchen, hat meine Küche ein Fenster mit Blick ins Grüne. Ein Hochdruckgebiet à la cuisine wandert durch den Raum. Immer wenn ich vom Einkaufen nach Hause komme, dann muss ich erst alles ausbreiten und bewundern. Die Kassenzettel lasse ich schnell
verschwinden, damit ich nicht vor der Obrigkeit in Erklärungsnot komme. Das heutige Menü gestaltet sich wie folgt:





Pot-au-feu aus Wachtelkirschen kross gebratene Brust
***
Zander Doria auf Pastinakenpüree und Nussbutter
*** 
würziges Lammkarree in Milch gegart
***
 rote bayrische Creme mit Birnenjelly

Noch ein mal richtig Hände waschen und dann geht los. Für das Pot-au-feu setze ich eine Wachtelessenz an. Was das ist? Habe ich bis vor wenigen Wochen auch noch nicht gewusst. Hierbei handelt es sich um eine enorm konzentrierte Brühe. Dem Fond eins draufgesetzt sozusagen. Vielleicht auch zwei, aber dazu dürfen sich die ewigen Besserwisser gerne hier in den Kommentaren auslassen. Um die Brüstchen und die Keulchen gebracht, wandern die Karkassen in den Bräter. Zuvor mit einem großen Küchenmesser etwas zerkleinert. Das Knacken der Knochen ist ein Geräusch, an das man sich in der Küche einfach gewöhnen muss. Wachteln zu zerlegen fand ich die ersten Male etwas makaber. Meine Oma hatte mal einen Wellensittich namens Hansi. Irgendwie muss ich an den Tag denken, als er auf dem Boden des Vogelbauers im Sande lag und alle Viere von sich streckte. Ich war sieben.

Nach dem fünften Vögelchen hatte ich den Dreh raus. Ein sauberer Schnitt in der Mitte der Brust, auf dem Brustbein, an der Seite entlang und oberhalb des Flügels. Das Filetstückchen nicht abgetrennt. Die Keule wird am Kugelgelenk mit einem Knacken aus der Pfanne gehoben. Schnitt - und die Keule liegt da. Es ist wirklich einfach, wenn man weiß wo und wie. Der Bräter kommt in den Ofen, um die Knochen zu rösten. Die Brüstchen kommen in eine Farce, die Farce in die Keulen. Daraus forme ich dann die Wachtelkirschen. Beim Einkochen des Fonds muss ich nicht zuschauen und so wende ich mich dem Zander zu.





Für heute muss allerdings nur ein leckeres Salbeibutterhühnchen herhalten. Das macht sich mittlerweile wirklich fast von alleine. Und falls sich jemand gerade fragt: Ja, ich fange mit den Vorbereitungen gerne achtundvierzig Stunden vorher an. So kann ich einfach entspannter arbeiten.
Ich bin froh fertige Filets bekommen zu haben. Man sagt zwar, das der Fischhändler weniger frischen Fisch gerne als Filet anbietet, da man diesem nicht mehr hinter die Kiemen oder in die Augen schauen kann, aber ich riskier es. Er wird eh durchgegart, sollte also kein Problem darstellen. Außerdem hat die Feinkostabteilung des großen Warenhauses in der ich den Zander gekauft habe einen Ruf zu verlieren. Bei meinem letzten Versuch eine Forelle zu filetieren wurde daraus ein Plattfisch. Ein zerfledderter Plattfisch. Unglücklicher Weise habe ich auch erst danach festgestellt, dass die Forelle zudem noch nicht geschuppt war. Mit anderen Worten: Alles für'n Arsch!

Weiter geht's mit dem Zander. Die Filets waschen und trocken tupfen, salzen. Ein Stück Kabeljaufilet kommt in die Jamie Oliver Küchenmaschine. Zusammen mit blanchierten Feldsalat und Basilikum entsteht unter Bindung mit Eiweiß, Sahne, sowie Salz und Pfeffer eine cremige grüne Fischfarce. Diese streiche ich anschließend noch durch ein Haarsieb. Der frische Spinat wird vorab blanchiert und kalt abgeschreckt, belegt mit den restlichen Filets und anschließend mit der Farce bestrichen. Mit Hilfe von Alufolie wird das Ganze zu einer gleichmäßigen Rolle geformt. Das Paket wandert in einen Topf mit siedendem Wasser und gart dort bei 72°C. Sicher ist sicher. Die Pastinaken werden in Sahne weich gekocht und püriert. Die Gurkengarnitur mit einem Sparschäler in Streifen geschnitten, in einer Vinaigretteaus Essig, Öl und Dill mariniert und anschließend aufgerollt. Beides fülle ich ab und stelle es kalt.

Am Ende eines ereignisreichen Kochtages ist noch nichts fertig. Beim ersten Mal mit Gästen hat mich dies enorm unter Druck gesetzt. Döschen, Töpfe und Vorratsbehälter, dazu ein riesen Berg Geschirr, der zum Abschluss noch gespült werden möchte. Vor dem Schlafengehen schaue ich noch einmal in den Kühlschrank. Jede freie Ritze ist ausgenutzt. Während der Vorbereitungen ist es wie mit Rubiks Würfel. Eine logische und logistische Herausforderung. Wie packe ich was wie an, damit ich es auch wieder finde und trotzdem keinen Platz verschenke. Getränke fliegen kurzerhand raus. Bei Temperaturen um zehn Grad fällt auch die Kühlung auf der Fensterbank weg. Ein Jammer.





Den nächsten Tag kann ich ruhig und gelassen angehen. Die Vorbereitung steht. Der Zeitplan auch. Aber wie bei allen Dingen darf man nie die große Unbekannte außer acht lassen. Und diese sind in diesem Fall meine Gäste. Ab vierzehn Uhr sagte einer nach dem anderen im Stundenrhythmus ab. Meine letzte Hoffnung ist nun noch eine Spontaneinladung an meinen Nachbarn Jerôme, das kulinarische französische Barometer. Die Beurteilung meiner Kochkünste vollzieht er fachmännisch und gnadenlos ehrlich. Nur leider hält sich das Barometer in den Frühlings- und Sommermonaten stets in seiner Heimat auf. Eine Nachbarin ein Stockwerk tiefer leistet mir letztendlich Gesellschaft. Allerdings hat sie mit dem, was sie erwartete nicht gerechnet. Ist das ein Spaß!

Fazit: Geschmacklich war das Menü überzeugend, zwar noch kein Geschmacksfeuerwerk, aber durchaus genießbar. Optisch muss ich allerdings noch viel, viel üben. Es ist wirklich eine Kunst mit dem Spritzbeutel das Pastinakenpüree als tolle geschwungene Linien auf den Teller zu zeichnen. Das ist auch der Grund, warum ich von meinen fertigen Gerichten hier noch keine Fotos eingestellt habe. Es ist nach zehn und ich mache mich nun an den Abwasch. In diesem Sinne. Gute Nacht.

Mittwoch, 17. März 2010

20. Julie & Julia



ist ein Film, in dem es um eine junge Frau geht, die mit sich und ihrem Leben unzufrieden ist und beim Kochen Entspannung und den nötigen Ausgleich findet. Um sich und der Welt zu beweisen, dass sie es ernst meint schreibt sie ihre Erfahrungen in einem Blog nieder. Sie selbst steckt sich das Ziel innerhalb von 365 Tagen 524 Rezepte der großartigen amerikanischen Köchin Julia Child nachzukochen. Diese wollte in den 1960er Jahren amerikanischen Frauen die französische Küche zugänglich machen. Der Blog der jungen Julie sorgt für reges Faninteresse und eines Tages entdeckt die Presse die Geschichte hinter der Geschichte.

Noch in dem Moment, in dem meine Schwester mir erzählt, sie habe diesen Film gesehen und dabei an mich denken müssen, habe ich schon den Downloadbutton geklickt und lade mir den Film auf meinen Computer herunter. Am Boden zerstört, als ich in den ersten Minuten irgendwie meine Geschichte erlebe. Zumindest ist der Einstieg ähnlich. Die Komik, das Hoffen und auch das Bangen. Scheinbar ist für viele ein Ei zu pochieren der Inbegriff des Kochens. Das mag vielleicht daran liegen, dass man mit einfachsten Mitteln in der Lage ist, bei falscher Anwendung ein echt ekliges Endergebnis zu erzielen (siehe auch Kapitel 4. Das Ei de Kolumbus). Die Geschichte ist fesselnd und meisterlich von Meryl Streep gespielt. Ich hätte mich für die Story enorm begeistern können, wenn ich nicht derart viele Parallelen zwischen der verfilmten und meiner Geschichte gesehen hätte. Und um das Maß voll zu machen, handelt es sich auch noch um eine wahre Geschichte.
Es ist wie das Märchen vom Hasen und vom Igel. Wenn Du glaubst, du seist der Erste, du seist der Schnellste, du seist der Einfallsreichste ist irgendjemand bereits einfallsreicher, schneller und vor allem vor dir da gewesen. Ich muss mir selbst eingestehen, dass ich verblödet und verblendet bin. Dies betrifft mein Experiment, von dem ich nicht weiß wo es enden wird, genauso wie auch meine derzeitige Arbeitsstelle. Meine Kreativität und meine Einfälle werden stets von der Realität eingeholt, in der bereits jemand anderes kreativer und einfallsreicher gewesen ist. Lohnt sich überhaupt noch die Mühe Dinge zu beginnen und für sich neu zu entdecken? Irgendjemand hat einem diese Arbeit bestimmt schon abgenommen. Man findet jeden Erfahrungsbericht mehrfach kommentiert im Netz. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle worum es sich handelt. Natürlich habe von dieser Tatsache auch profitieren können, da ich nicht immer gleich einen Fachmann habe zu Rate ziehen können. Ich habe mich im Vorfeld im Internet schlau gemacht, wie ich das eine oder andere Küchenproblem zu lösen habe. Allerdings sind die praktischen Erfahrungen, die ich während meines Praktikums gemacht habe unersetzlich. Aber ein noch so schöner Forumsbericht über das bis zur Rose Aufschlagen von Eigelb und Zucker im warmen Wasserbad kann nicht mit den Tennisarmerfahrungen beim Herstellen von Parfait in der Realität mithalten.

Blicke ich zurück, so habe ich nervenaufreibende und lehrreiche zwölf Wochen hinter mir. Inspiriert und motiviert haben mich Kochshows im Fernsehen, die nebenbei bemerkt nichts mit dem wahren Kochalltag gemein haben. Für ansprechend schön fotografierte Kochbücher habe ich nur enorm viel Geld ausgegeben. Meine Küche ist mittlerweile so gut ausgestattet, dass mich selbst so manch ein Profi darum beneidet. Ferner ist es unmöglich für drei Jahre die Schulbank zu drücken, um die Ausbildung eines Koches zu durchlaufen. Was bleibt ist das Selbststudium. Wer wird hier die Messlatte anlegen und vor allem auch überprüfen? Erfahrungen an der Front sind einfach unersetzlich. Selbst ein Restaurant zu eröffnen und sich einem Stern entgegenzukochen fällt auch flach, denn dazu fehlt einfach die Zeit. Außerdem hatmir der Küchenleiter der Mensaküche No.2 unmissverständlich meine Perspektiven aufgezeigt. "... und für das Sternekochen bist Du zu alt!!". Das Thema TV-Kochen ist so dermaßen ausgelutscht, dass nicht mal mehr der minder Interessierte daran gefallen findet. Den Kochshows bleibt die Imagepflege der Fernsehköche und das melancholisch- meditative beim Zuschauen. Ist es tatsächlich irgendjemandem gelungen eine Salatsoße, die aus nicht weniger als 17 Bestandteilen und mindestens 5 Zubereitungsarten besteht einwandfrei nachzukochen? Altmeister Biolek betrinkt sich regelmäßig in seinen Shows und und prägte ein geflügeltes Wort für geschmacklich völlig derangierte Gerichte. "Interessante" Gerichte, habe ich in den letzten Wochen ziemlich häufig gekocht. Schubeck und Lafer stehen ohnehin über allem. Henssler macht sie alle fertig, Die kleine Blonde aus dem Norden hat alle in der Hand, den lispelnden Hamburger mag man oder auch nicht und das Thema "Jamie Oliver" reicht allenfalls noch dazu aus Küchenmaschinen seinen Namen zu geben.

Muss ich noch erwähnen, dass ich ziemlich frustriert bin? Die Kassen sind leer und manche Dinge wollen noch immer nicht gelingen. So schaffe ich es beispielsweise immer noch nicht eine Mayonnaise von Hand zu rühren. Was bleibt ist die Küchenmaschine. Dafür habe ich gelernt einen Schweinelachs zu parieren, habe gelernt Fisch zu filetieren, Kotelettes zu plattieren und Schnitzel zu panieren. Ich habe einen Fond angesetzt, daraus eine Grundsauce gemacht und anschließend bis zur Demi Glace eingekocht. Karkassen vom Huhn zu einer geschmacklichen Hühnerbrühe reduziert, Fischschwänze und Gräten für eine Kapernsauce ausgekocht. Neben der vielen Kohle für die Rohstoffe gehen nicht selten bis zu sieben Stunden drauf eine schmackhafte Mahlzeit zu kochen. Der normale Küchenbenutzer kann sich nicht vorstellen, welchen Unterschied es macht eine Sauce selbst anzusetzen. Dabei kocht sich eine Hühnerbrühe doch fast von selbst.

Das nächste Kapitel könnte eigentlich den Titel tragen: "Für wen mache ich das eigentlich alles?" Sicherlich, ich habe mir hier ein Hobby eröffnet, das andere auch schon für sich entdeckt haben. Natürlich, ich kann in der Küche entspannen und wenn mir Dinge gelingen, freue ich mich wie ein Kind. Es ist wunderbar in Kochbüchern zu schmökern. Sie lesen sich wie fabelhafte Fantasiegeschichten. Sie sind kaum fassbar und doch ist an ihnen etwas Wahres dran.

Ich bin an einem Punkt angelangt, an dem ich ernsthaft überlegen muss, was nun geschehen soll. Ich überlasse für heute die Entscheidung dem Pinotage.

Mittwoch, 10. März 2010

19. Plenum



Über einen gekachelten Arbeitsplatz ohne Fenster und einen herben Aufschlag auf dem leicht zu reinigenden Boden der Realität. Wer hier nicht schnell genug ist wird fortgespült.


Wie bereits eingangs erwähnt ist das Restaurant in dem ich mein Praktikum durchführen darf, Verpfleger diverser Kindertagesstätten und Schulen - und nicht zu vergessen, unserer ortsansässigen Regierung. In diesen Tagen ist 'Plenum'. Die nächsten vier Tage wird der überlebenswichtige Umsatz für den Monat reingeholt. Und das ist auch die einzige Zeit, in der es sich nach alten Zeiten anfühlt. Den besseren Zeiten. Den Zeiten, als es hier jeden Tag brummte. Die Küche des Restaurants ist direkt unter dem Plenarsaal. Immer wieder ist ein trampelndes Geräusch, ein Stampfen und ein Stapfen zu hören. Es ist unheimlich. Als zöge eine Nashornherde über unsere Köpfe hinweg. Auf mein Fragen, bekomme ich die Antwort:"Die stimmen gerade ab!" "Wie, die stimmen gerade ab?" Ich bin verwirrt. Ich frage:"Gesetze, die mein Leben schöner machen sollen werden mit Füßen getreten und so zur Abstimmung gebracht?!" "Ich glaube das trifft's." Ich bin schwer begeistert. Ich stelle mir selbst die Frage, was eigentlich Plenum ist. Im Internet finde ich die Definition: "Plenum ist eine Vollversammlung, also die Sitzung möglichst aller Mitglieder einer Institution." Nun gut, wer's glaubt wird selig. Über Abstimmung per Getrampel finde ich keine Infos. Muss wohl eine regionale Macke sein.

Ich bekomme Verantwortung. Der Küchenchef will, dass ich mich persönlich um den Nachschub der Verpflegung 'Plenum' kümmere. Unsere Politiker essen Laugenstangen mit Tomate und Mozzarella, Schnitzel- und Frikadellenbrötchen. Alles schön aus der Tüte. Nur die Currywurst geht noch zu Fuß. Ein Gericht, das seit Schröder nicht mehr aus der Karte genommen werden darf. Oftmals werden übrigens Currywurst und Pommes gleichzeitig und in ein- und derselben Fritteuse ausgebacken. Die Currysauce hingegen variiert ständig. Mal ist es eine Curry, mal mehr eine Orangensauce. Hier ist der Toleranzbereich gleich ungleich höher. Wie man sich denken kann werden auch Kartoffelrösti und die Schnitzel für die Schnitzelbrötchen in der selben Fritteuse ausgebacken. Morgen steht Zanderfilet auf der Karte. Mal schauen, welche Fritteuse übermorgen wieder für die Würste benutzt wird? Das werden dann Brötchen mit Fischfrikadellen.


Für mich heißt 'Plenum' Brötchen schmieren den ganzen Tag. Mit der runden Seite des Löffels lassen sich Brötchen außergewöhnlich gut schmieren. Viel besser als mit einem Messer. Ich hätte es nicht gedacht. Die Garnierung ist immer die gleiche. EinBlatt Salat und zwei Scheiben frische Gurke und Tomate. Bei den Schnitzel- und Frikadellenbrötchen ist der Aufwand etwas höher. In meinen Augen ist dies die langweiligste Art Brötchen zu belegen. Mal abgesehen davon, dass mitten im Winter auch nicht die Saison für frische Tomaten ist. Mit anderen Worten - sie sind knüppelhart, recht säuerlich und teilweise nicht reif. Egal! "Was ist mit dem Käsebrötchen?" "Was soll damit sein?" "Auch Tomate und Gurke?" "'Türlich". "Okay". Haben sie schonmal eine Scheibe Gurke auf eine Scheibe Gouda gelegt? Es braucht keinen Meisterkoch, um sich vorstellen zu können wie der Käse schon nach wenigen Minuten aussieht. Auch bei anderen Belägen weichen Tomaten und Gurkenscheiben das Brötchen viel zu sehr durch. Das sind halt belegte Brötchen wie man sie kennt. Aber genau aus diesem Grund hätte man die fabelhafte Chance hier wirklich mal etwas zu verbessern. Natürlich wird verkauft, allerdings wird auch schlecht geredet. Wie viel mehr würde wohl verkauft, wenn gut geredet würde? Ob nun Sterneküche oder Brötchenkosmos. Qualität heißt auch hier das Zauberwort. Sowohl in der Zubereitung, als auch bei den Zutaten. Mit einer geschmacklosen Tomate bekomme ich einfach kein geschmackvolles Brötchen hin.
Das Praktikum hat mittlerweile für mich nichts mehr mit Sterneküche zu tun. Gar nichts mehr. Ende der 1980iger Jahre habe ich mal für einen Fastfoodkonzern gearbeitet. Als gerade Volljähriger ein dankbarer Jobgeber, um sich das Taschengeld aufzubessern. Diese Erfahrungen hatte ich beinahe verdrängt. Das Gefühl 'Plenum' ist allerdings ähnlich. Arbeiten im Akkord, nur mit entsprechend minderer Qualität. Es gibt keine zu erfüllenden Standards. Ein belegtes Brötchen kann schlecht, aber auch noch schlechter sein. Ich bin kurz davor mich auszuklinken. Hier sind mittlerweile alle verrückt geworden.
Als ich an diesem Abend nach Hause komme, bin ich um Haaresbreite davon entfernt das Praktikum hinzuschmeißen. Meine Hände schmerzen. Vom Reinigungsmittel aus der Spülküche verätzt und von der Kälte draußen aufgesprungen und rissig. Schnittwunden und saure Gurken hinterlassen essigsaure Spuren und Obstsalat zu schneiden ist eine wahre Freude in dieser Zeit.


Fern von Kochshows, die übrigens nur gut für Köche sind, die bereits einen Michelinstern erlangt haben, um ihr Image zu pflegen. So war auch ich einst von diesen Kochshows angefixt, was mich ja letztlich auch zu dem Entschluss brachte nach den Sternen greifen zu wollen. Und fern von Kochschulen, die versuchen es dem ambitionierten Hobbykoch so angenehm wie möglich zu gestalten. Nettes Ambiente, leise Musik, das Spülen und Saubermachen wird einem abgenommen. Wer keine Zwiebeln mehr schneiden möchte, macht entweder etwas anderes oder gar nichts mehr. Dazu ein Gläschen Rotwein und angenehme Gespräche. Völlige Illusion. Mir ist schon klar, das mich eine andere Realität und ein anderer Ton in der Küche erwarten würde, nichts desto Trotz liege ich an diesem Abend am Boden. Bis ein Bericht im Fernsehen, es schaffte mich erneut zu motivieren. Traumberuf Koch! - die andere Realität. Wen's interessiert:

"Man muss einfach das gewisse Verrückte in sich tragen, dann erträgt man das schon!" Cornelia Poletto.



Frischlinge, die direkt von der Schule in die Ausbildung stolpern unterschätzen nicht selten das Berufsbild des Kochs. Auch ich, der ich mir von Anfang an darüber im Klaren war, andere Erfahrungen als in der Heimküche während meines Praktikums zu machen, habe den Punkt unendlicher Ernüchterung erreicht. Trotz Demoralisierung habe ich es mit diesem Betrieb richtig gut getroffen. Von Plackerei kann keine wirkliche Rede sein. Ich bin nun mal der Praktikant und habe mehr zu tragen, mehr zu putzen, mehr zu schneiden und mehr zu leiden.


Ich darf mich nicht entmutigen lassen. Viele wollen dorthin wo auch ich hin möchte. Nur gehe ich einen anderen Weg. Viele sind viel jünger - und viele sind viel besser ausgebildet. Der Vorteil, den ich gegenüber den anderen habe ist die Tatsache, dass auch Lehrlinge in ihren Betrieben nicht das lernen was Ihnen ihre Ausbildungsbetriebe vermitteln sollten. Sie lernen in der Schule und zwar nur in der Schule. Ich erinnere mich an das Gespräch des Lehrlings im zweiten Lehrjahr aus der Mensaküche. "Alles was du lernen kannst, lernst Du in der Schule. In den Betrieben lernst Du nichts. Hier wirst Du nur gefickt." Stimmt, so war das.
So war die Rede davon, dass die Lehrzeit eines Kochs in den Betrieben dazu diene, den Frischling zu brechen. Erst wenn er, fäkal ausgedrückt, 'durch Scheiße' gekrochen ist hat er vielleicht die Chance etwas zu werden. Teure Fortbildungen fördern die jeunes Restaurateurs bereits während der Ausbildung. Es bleiben Optik, Geschmack und ein unendlicher Glaube. Man gibt seine Identität völlig auf.
Dann gibt es allerdings auch da noch eine andere Konkurrenz, die neben den gut ausgebildeten Jeunes heranwächst. Das sind die ausgewachsenen Managertypen, die sich als Teilzeitsterneköche den Stress von der Seele kochen.
Ich bin soweit, ich brauch' nen Schnaps!