Mein persönliches Highlight: VOX - das perfekte Dinner

Wen es interessiert, wie ich die Produktionszeit des "perfekten Dinners" auf VOX erfahren wird hier fündig. Der Produktionszeitraum für die Sendewoche vom 05. bis 09. März war gleich zu Anfang des Jahres - also etwa acht Wochen vor der Sendung.

Mit meinem Gastgebertag am Freitag endet eine anstrengende Woche und vorerst auch dieser Blog. Zu einem Stern habe ich es zwar nicht gebracht, aber kochen, das hab ich gelernt.

Mittwoch, 10. März 2010

19. Plenum



Über einen gekachelten Arbeitsplatz ohne Fenster und einen herben Aufschlag auf dem leicht zu reinigenden Boden der Realität. Wer hier nicht schnell genug ist wird fortgespült.


Wie bereits eingangs erwähnt ist das Restaurant in dem ich mein Praktikum durchführen darf, Verpfleger diverser Kindertagesstätten und Schulen - und nicht zu vergessen, unserer ortsansässigen Regierung. In diesen Tagen ist 'Plenum'. Die nächsten vier Tage wird der überlebenswichtige Umsatz für den Monat reingeholt. Und das ist auch die einzige Zeit, in der es sich nach alten Zeiten anfühlt. Den besseren Zeiten. Den Zeiten, als es hier jeden Tag brummte. Die Küche des Restaurants ist direkt unter dem Plenarsaal. Immer wieder ist ein trampelndes Geräusch, ein Stampfen und ein Stapfen zu hören. Es ist unheimlich. Als zöge eine Nashornherde über unsere Köpfe hinweg. Auf mein Fragen, bekomme ich die Antwort:"Die stimmen gerade ab!" "Wie, die stimmen gerade ab?" Ich bin verwirrt. Ich frage:"Gesetze, die mein Leben schöner machen sollen werden mit Füßen getreten und so zur Abstimmung gebracht?!" "Ich glaube das trifft's." Ich bin schwer begeistert. Ich stelle mir selbst die Frage, was eigentlich Plenum ist. Im Internet finde ich die Definition: "Plenum ist eine Vollversammlung, also die Sitzung möglichst aller Mitglieder einer Institution." Nun gut, wer's glaubt wird selig. Über Abstimmung per Getrampel finde ich keine Infos. Muss wohl eine regionale Macke sein.

Ich bekomme Verantwortung. Der Küchenchef will, dass ich mich persönlich um den Nachschub der Verpflegung 'Plenum' kümmere. Unsere Politiker essen Laugenstangen mit Tomate und Mozzarella, Schnitzel- und Frikadellenbrötchen. Alles schön aus der Tüte. Nur die Currywurst geht noch zu Fuß. Ein Gericht, das seit Schröder nicht mehr aus der Karte genommen werden darf. Oftmals werden übrigens Currywurst und Pommes gleichzeitig und in ein- und derselben Fritteuse ausgebacken. Die Currysauce hingegen variiert ständig. Mal ist es eine Curry, mal mehr eine Orangensauce. Hier ist der Toleranzbereich gleich ungleich höher. Wie man sich denken kann werden auch Kartoffelrösti und die Schnitzel für die Schnitzelbrötchen in der selben Fritteuse ausgebacken. Morgen steht Zanderfilet auf der Karte. Mal schauen, welche Fritteuse übermorgen wieder für die Würste benutzt wird? Das werden dann Brötchen mit Fischfrikadellen.


Für mich heißt 'Plenum' Brötchen schmieren den ganzen Tag. Mit der runden Seite des Löffels lassen sich Brötchen außergewöhnlich gut schmieren. Viel besser als mit einem Messer. Ich hätte es nicht gedacht. Die Garnierung ist immer die gleiche. EinBlatt Salat und zwei Scheiben frische Gurke und Tomate. Bei den Schnitzel- und Frikadellenbrötchen ist der Aufwand etwas höher. In meinen Augen ist dies die langweiligste Art Brötchen zu belegen. Mal abgesehen davon, dass mitten im Winter auch nicht die Saison für frische Tomaten ist. Mit anderen Worten - sie sind knüppelhart, recht säuerlich und teilweise nicht reif. Egal! "Was ist mit dem Käsebrötchen?" "Was soll damit sein?" "Auch Tomate und Gurke?" "'Türlich". "Okay". Haben sie schonmal eine Scheibe Gurke auf eine Scheibe Gouda gelegt? Es braucht keinen Meisterkoch, um sich vorstellen zu können wie der Käse schon nach wenigen Minuten aussieht. Auch bei anderen Belägen weichen Tomaten und Gurkenscheiben das Brötchen viel zu sehr durch. Das sind halt belegte Brötchen wie man sie kennt. Aber genau aus diesem Grund hätte man die fabelhafte Chance hier wirklich mal etwas zu verbessern. Natürlich wird verkauft, allerdings wird auch schlecht geredet. Wie viel mehr würde wohl verkauft, wenn gut geredet würde? Ob nun Sterneküche oder Brötchenkosmos. Qualität heißt auch hier das Zauberwort. Sowohl in der Zubereitung, als auch bei den Zutaten. Mit einer geschmacklosen Tomate bekomme ich einfach kein geschmackvolles Brötchen hin.
Das Praktikum hat mittlerweile für mich nichts mehr mit Sterneküche zu tun. Gar nichts mehr. Ende der 1980iger Jahre habe ich mal für einen Fastfoodkonzern gearbeitet. Als gerade Volljähriger ein dankbarer Jobgeber, um sich das Taschengeld aufzubessern. Diese Erfahrungen hatte ich beinahe verdrängt. Das Gefühl 'Plenum' ist allerdings ähnlich. Arbeiten im Akkord, nur mit entsprechend minderer Qualität. Es gibt keine zu erfüllenden Standards. Ein belegtes Brötchen kann schlecht, aber auch noch schlechter sein. Ich bin kurz davor mich auszuklinken. Hier sind mittlerweile alle verrückt geworden.
Als ich an diesem Abend nach Hause komme, bin ich um Haaresbreite davon entfernt das Praktikum hinzuschmeißen. Meine Hände schmerzen. Vom Reinigungsmittel aus der Spülküche verätzt und von der Kälte draußen aufgesprungen und rissig. Schnittwunden und saure Gurken hinterlassen essigsaure Spuren und Obstsalat zu schneiden ist eine wahre Freude in dieser Zeit.


Fern von Kochshows, die übrigens nur gut für Köche sind, die bereits einen Michelinstern erlangt haben, um ihr Image zu pflegen. So war auch ich einst von diesen Kochshows angefixt, was mich ja letztlich auch zu dem Entschluss brachte nach den Sternen greifen zu wollen. Und fern von Kochschulen, die versuchen es dem ambitionierten Hobbykoch so angenehm wie möglich zu gestalten. Nettes Ambiente, leise Musik, das Spülen und Saubermachen wird einem abgenommen. Wer keine Zwiebeln mehr schneiden möchte, macht entweder etwas anderes oder gar nichts mehr. Dazu ein Gläschen Rotwein und angenehme Gespräche. Völlige Illusion. Mir ist schon klar, das mich eine andere Realität und ein anderer Ton in der Küche erwarten würde, nichts desto Trotz liege ich an diesem Abend am Boden. Bis ein Bericht im Fernsehen, es schaffte mich erneut zu motivieren. Traumberuf Koch! - die andere Realität. Wen's interessiert:

"Man muss einfach das gewisse Verrückte in sich tragen, dann erträgt man das schon!" Cornelia Poletto.



Frischlinge, die direkt von der Schule in die Ausbildung stolpern unterschätzen nicht selten das Berufsbild des Kochs. Auch ich, der ich mir von Anfang an darüber im Klaren war, andere Erfahrungen als in der Heimküche während meines Praktikums zu machen, habe den Punkt unendlicher Ernüchterung erreicht. Trotz Demoralisierung habe ich es mit diesem Betrieb richtig gut getroffen. Von Plackerei kann keine wirkliche Rede sein. Ich bin nun mal der Praktikant und habe mehr zu tragen, mehr zu putzen, mehr zu schneiden und mehr zu leiden.


Ich darf mich nicht entmutigen lassen. Viele wollen dorthin wo auch ich hin möchte. Nur gehe ich einen anderen Weg. Viele sind viel jünger - und viele sind viel besser ausgebildet. Der Vorteil, den ich gegenüber den anderen habe ist die Tatsache, dass auch Lehrlinge in ihren Betrieben nicht das lernen was Ihnen ihre Ausbildungsbetriebe vermitteln sollten. Sie lernen in der Schule und zwar nur in der Schule. Ich erinnere mich an das Gespräch des Lehrlings im zweiten Lehrjahr aus der Mensaküche. "Alles was du lernen kannst, lernst Du in der Schule. In den Betrieben lernst Du nichts. Hier wirst Du nur gefickt." Stimmt, so war das.
So war die Rede davon, dass die Lehrzeit eines Kochs in den Betrieben dazu diene, den Frischling zu brechen. Erst wenn er, fäkal ausgedrückt, 'durch Scheiße' gekrochen ist hat er vielleicht die Chance etwas zu werden. Teure Fortbildungen fördern die jeunes Restaurateurs bereits während der Ausbildung. Es bleiben Optik, Geschmack und ein unendlicher Glaube. Man gibt seine Identität völlig auf.
Dann gibt es allerdings auch da noch eine andere Konkurrenz, die neben den gut ausgebildeten Jeunes heranwächst. Das sind die ausgewachsenen Managertypen, die sich als Teilzeitsterneköche den Stress von der Seele kochen.
Ich bin soweit, ich brauch' nen Schnaps!

1 Kommentar:

  1. Diese "Abstimmung mit den Füßen" ist der so genannte Hammelsprung: http://de.wikipedia.org/wiki/Hammelsprung

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