Mein persönliches Highlight: VOX - das perfekte Dinner

Wen es interessiert, wie ich die Produktionszeit des "perfekten Dinners" auf VOX erfahren wird hier fündig. Der Produktionszeitraum für die Sendewoche vom 05. bis 09. März war gleich zu Anfang des Jahres - also etwa acht Wochen vor der Sendung.

Mit meinem Gastgebertag am Freitag endet eine anstrengende Woche und vorerst auch dieser Blog. Zu einem Stern habe ich es zwar nicht gebracht, aber kochen, das hab ich gelernt.

Mittwoch, 19. Mai 2010

31. Zwei Euro für ein Leben


Jetzt werde ich Sternekoch. Das heißt aber auch nur beste Lebensmittel und Zutaten zu verwenden. Da kann ein Kilo hochwertiger Schinken schnell einhundert Euro oder mehr kosten. Ganz zu schweigen von Luxusartikeln, wie Kaviar und Trüffeln. Für ein Kilo weißen Albatrüffel kann ein Spitzengastronom schnell bis zu sechstausend Euro ausgeben. Der Normalkonsument übrigens auch, nur das dieser sich solch ein Luxusgut selten leisten kann. Weder im Restaurant noch als Rohstoff. Aber Sterneküche zeichnet sich nicht durch das Luxusgut aus, sondern durch die Verwendung bester Rohstoffe.

Naheliegend, dass man sich auch mit hiesigen Lebensmitteln auseinandersetzt. Regionale Küche auf höchstem Niveau. Aber was nützt mir höchstes Niveau mit einem mittelmäßigen Lebensmittel, nur damit es regional bleibt. "T'schuldigung, aber das ist das Beste, was die Region zu bieten hat!" Und doch ist es nur zweitklassig.

Immer wieder stelle ich mir die Frage: "Wo bekomme ich meine Rohstoffe her die sterneküchentauglich sind." Reicht es die Metro zu plündern? Köche aus meinem Bekanntenkreis versichern mir stets, dort beste Produkte zu bekommen. Der Besitzer einer Kochschule, die ich nun schon mehrfach besucht habe berichtete eines Abends in weinseliger Runde, dass der Chef der Fischabteilung in der hiesigen Metro gewechselt habe und seit dem bekäme er nur noch Mist. Schnell male ich mir aus, was für Qualität ich wohl bekomme, wenn ich als kleines Licht des Küchenhimmels in dieser Fischabteilung zwei Filets vom Zander bestelle? Berühren der Ware verboten! Also muss ich vertrauen. Vielleicht muss ich als Einkäufer kleinster Mengen einfach ekliger zum Verkäufer werden?!

Eines morgens stehe ich an der Kasse eines Ladens der wohl größten Discounterkette Deutschlands. In meinem Wagen eine Stange Toastbrot, etwas Konfitüre, Hundefutter und Klopapier. Vor mir eine Frau. Sie könnte die Mutter zweier entzückender Kinder sein; Junge und Mädchen. Er in der siebten Klasse und haarscharf an der Hauptschulempfehlung vorbeigerasselt. Sie wird auf das Gymnasium gehen. Ob sie will oder nicht. Allerdings erst in drei Jahren. Ich kann nicht anders und starre auf das Tiefkühlhähnchen, das dort auf dem Band liegt. Mit jedem Rucken des Bandes rollt das tote Vieh gegen mein Klopapier. Die Fliehkraft lässt den Broiler mit einem klirrenden Geräusch gegen die Rotweinflasche der Kundin und besagter Mutter vor mir stoßen. Irgendetwas stört dieses Bild, nur weiß ich noch nicht, was es ist. Erst als ich den Laden verlassen habe, weiß ich es endlich. Es ist der Preis von ein Euro achtundneunzig.

Der deutsche verbraucht gut und gerne sechs Kilogramm Hühnerfleisch pro Kopf im Jahr, der Europäer sogar siebzehn Kilogramm. Wie dieses? Halbes Hähnchen, Brustfilet, Chickenburger, Nuggets, Keulen, Flügel, Grillfleisch und die Liste könnte wohl fast unbegrenzt fortgesetzt werden. Der allgemeine Verbraucher hält Hähnchenfleisch für das unbedenklichste Lebensmittel, zudem politisch korrekt. Schweine sind dreckig. Schweine bringen Schweinegrippe, Kühe sind lila und schmecken eigentümlich. Rindfleisch ist nicht jedermanns Sache. Ein gutes Filetsteak ist teuer. BSE und Schweinepest verleiden einem jeglichen Fleischkonsum.

In 37 Tagen zum Filet

Das kurze Leben eines Masthähnchens. In Elterntierbetrieben werden bis zu zwei Mal täglich die Eier herausgenommen. Legehennen leben ca. 14 Monate, in dieser Zeit legen sie bis zu 160 Eier. Danach eignen sie sich noch allenfalls als Suppenhuhn.

Die Eier kommen in die Brüterei. Ein Imagefilm einer großen Brüterei in Norddeutschland verspricht einen optimalen Brutverlauf, den eine Glucke kaum besser gewährleisten könnte. Sobald die kleinen gelben Küken geschlüpft sind haben diese noch eine Schonfrist von drei Tagen, bis diese Tiere in die Mast kommen. Unsanft werden die Küken über Förderbänder transportiert. Kurzeitiger Stress, aber keine Tortur, wie ein Angestellter versichert. Die Mastställe sind gut vorbereitet. Gesäubert, ausgestreut und wohltemperiert. Man könnte meinen es ginge ins Ferienlager, doch haben die Tiere hier schon längst Ihre Würde verloren. Die nächsten siebenunddreißig Tage heißt es ohne Tageslicht mit bis zu achtzigtausend anderen Tieren fressen, kacken und wachsen. Das Futtermittel ist auf optimales Brustwachstum abgestimmt. Ironie eines Hühnerschicksals. Brütereien, Futtermittelbetriebe und Mastanlagen gehören nicht selten zum selben Konzern oder werden durch den Mutterkonzern beliefert. Firma R. aus dem Emsland hat mir einen Besuch der Brütereien versagt. Warum nur? Das Etikett auf dem toten Tier bietet schließlich genug Transparenz. Wenn ich wollte könnte ich sogar den Mastbetrieb besuchen. Alle Angaben finde ich dort. Tja, Pustekuchen. Ich hab's versucht.

Die Ernährung ist einseitig auf das Brustwachstum abgestimmt, die Viecher stehen im eigenen Kot und der Einsatz von Antibiotika in der industriellen Mast beugt Krankheiten vor. Bis zur Schlachtung sollten diese allerdings wieder abgebaut sein, so die offizielle Verlautbarung. Mal nebenbei bemerkt: eine Verlustrate von drei Prozent ist durchaus üblich und liegt im Toleranzbereich. Wir sprechen von zirka 2000 Tieren, die die Mast nicht überleben.


Fangkolonnen räumen einen Mastbetrieb innerhalb von sechs Stunden und das nicht immer sanft. Erst dann werden die Ställe wieder gereinigt und aufbereitet. So schafft ein Mastbetrieb bis zu acht Durchläufe pro Jahr. Danach geht's direkt zur Schlachtung. Der Schlachtbetrieb gehört übrigens auch zum gleichen Konzern, wie die Brüterei und der Futtermittellieferant. Blaues Licht soll die Tiere beruhigen, jedoch herrscht bei der Anlieferung der Tiere ein ohrenbetäubender Lärm. Schnellstmöglich wird das Mastgeflügel mittels Kohlendioxid betäubt und anschließend geschlachtet. Der Rest findet sich in formschönen Styroporschalen wieder, die jedem bekannt sein dürften.

Der Gewinn für den Bauern liegt bei sieben bis acht Cent pro Tier.

Ich schaue aus meinem Bürofenster. In einer gegenüberliegenden Wohnung ein Stockwerk tiefer sehe ich durch ein weit geöffnetes Fenster eine Frau, die Mittagessen zubereitet. Es könnte eine Mutter zweier Kinder sein, ein Junge und ein Mädchen. Zu Mittag gibt's zwei halbe Hähnchen. Mit Salz, Pfeffer, Öl und Paprika für eine Stunde in den Ofen. Das ideale Kinderessen. Das Mädel mag nur die Haut und er hat keinen Hunger. Zwei Drittel wandern in den Müll. Das Ganze für nicht ganz zwei Euro.

1 Kommentar:

  1. Ich meine, man könnte eine Menge davon abstellen, wenn folgendes eingeführt werden würde:
    a) Pflicht zur Transparenz. Lebensmittelbetriebe müssen zugänglich sein.
    b) Obligatorischer Besuch eines Zuchtbetriebs und Schlachthofs für Schulkinder. Und zwar die ganze Palette, ohne Ausnahme. Jeder muss wissen, wo das Fleisch herkommt, das auf dem Teller liegt, wie das Schwein/Rind/Huhn/Schaf gelebt hat und wie es gestorben ist.
    Die Fleischpreise in Supermärkten sind nur realisierbar wenn man schwächsten Glied spart. Das ist das Wohl des Tiers. Ich esse seit geraumer Zeit kaum noch Fleisch, dessen Herkunft ich nicht kenne. Das hat meinen Fleischverbrauch deutlich reduziert ohne meine Kosten zu verändern - gutes Fleisch kostet mehr. Ich mag keine Tiere mehr essen, die ihr ganzes Leben gequält wurden.
    Leider kann ich das nicht immer in letzter Konsequenz durchhalten, dafür bin ich zu bequem. Insbesondere habe ich für Parmaschinken und ähnliche Spezialitäten noch keinen Ersatz gefunden. Ich arbeite dran.
    Wir hatten hier vor kurzem die Messe "Land & Genuss" in Frankfurt. Da findet man reginale Erzeuger, kommt mit Ihnen ins Gespräch und kann sich über Aufzucht und Verarbeitung ein Bild machen.

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