Mein persönliches Highlight: VOX - das perfekte Dinner

Wen es interessiert, wie ich die Produktionszeit des "perfekten Dinners" auf VOX erfahren wird hier fündig. Der Produktionszeitraum für die Sendewoche vom 05. bis 09. März war gleich zu Anfang des Jahres - also etwa acht Wochen vor der Sendung.

Mit meinem Gastgebertag am Freitag endet eine anstrengende Woche und vorerst auch dieser Blog. Zu einem Stern habe ich es zwar nicht gebracht, aber kochen, das hab ich gelernt.

Montag, 15. November 2010

42. Und sie haben Hunger!

Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt. Wer sich nicht in die Ehe und die Gesellschaft seiner Familie flüchtet landet irgendwann am Stammtisch. Man kann es auch vornehmer ausdrücken und nennt das ganze Vereinsleben oder Clubtreffen. Clubmitglied zu sein ist cool. Klingt bloß nach weniger Saufen, was man leider nicht nachprüfen kann, da es sich wie gesagt um einen Mitgliederkreis mit eingeschränktem Zugang handelt. Die Wichtigen nennen sich dann Lions, die noch wichtigeren Rotarier, der Bund freischaffender Künstler sind die richtig armen Schweine und dann gibt es da neben vielen anderen Beispielen noch die Vereinigung der Jeunes Restaurateurs -Topnachwuchsköche. Wer hier dazu gehört ist hip. Wer hier dazu gehört ist angesagt und hat es geschafft. Und meistens lässt der Sterneregen auch nicht lange auf sich warten. Wer dazu auch noch charmant und gutaussehend ist und den nötigen Öffentlichkeitsdrang besitzt wird Werbeträger und gibt sein Gesicht für Formschinken und Würzmittelpasten namhafter Lebensmittelproduzenten her. Nebenbei bemerkt gibt es diese Vereinigung schon so lange, dass die damals jungen noch immer zu den "Jeunes" gehören, auch wenn Sie schon weit jenseits der vierzig sind. Aber wie heißt es so schön, man ist immer so jung, wie man sich fühlt. Was mich betrifft hätte ich ja nie gedacht, dass ich jemals in die Nähe dieser Leute komme. Und dann ganz plötzlich stand ich im Frühjahr diesen Jahres in Achim Schwekendieks Gourmetküche. Ich habe gelernt, was es heißt die typischen Geschmacksnoten aus Lebensmitteln herauszukitzeln, geschmackliche Achterbahnfahrten zu erleben und das gute vom bösen Lebensmittel zu unterscheiden. Achims plötzliche Einladung haute mich um, als er mich diesen Herbst bat seine Küchenbrigade als Gastkoch, anlässlich der Tagung der Jeunes Restaurateurs im Schlosshotel, zu unterstützen. 
Achtundvierzig Stunden Superhappening mit Champagner satt und kulinarischen Spitzfindigkeiten, die einem schier den Atem rauben. Muss ich erwähnen, dass ich keine Bedenkzeit benötigte? Wenn Achim ruft, wird der Kalender umgeschrieben. Dann hat eine Woche auch schon mal acht Tage. Was genau mich jetzt qualifiziert hinterfrage ich besser nicht. 

Kaum den Fuß ins Hotel gesetzt kommen schon die ersten Seitenhiebe: "Na schon Bluthochdruck? Das Haus voller Sterneköche?!". Ertappt. Eine gewisse Aufregung war nicht von der Hand zu weisen. Mit meiner „Meisterschule“ der Jeunes betrete ich die Küche, bereit wie ein Groupie mit Buch und wasserfestem Stift bewaffnet jeden Meisterkoch anzuspringen, um später lange noch von dieser Erfahrung mit den ganz Großen zehren zu können. Aber bis zu deren Eintreffen soll noch viel viel Zeit vergehen. Zur Begrüßung säbele ich mir erst mal mit der Schneidemaschine einen tiefen Schnitt in das Daumengelenk, was prompt durch einen sprudelnden roten Quell quittiert wird. Pflaster drauf, ein bisschen Druck und weiter geht's. Ananas in hauchdünne Scheiben schneiden, ausstechen und in einem asiatischen Fond einlegen. Die restlichen Abschnitte wandern nicht gar in den Abfall, sondern werden bitte schön fein gewürfelt zwecks weiterer Verwendung, die noch nicht genau feststeht. Apropos fein würfeln. Bis zum frühen Nachmittag mache ich nichts anderes, als zu würfeln. Nach den Ananas sind es Zuckerschoten, nach den Zuckerschoten Schalotten. Danach kann ich meine rechte Hand nicht mehr ruhig halten, ohne dass diese noch immer die Bewegung des wiegenden Messers fortsetzt. An der Stelle wo der Zeigefinger auf dem Messergriff aufliegt hat sich eine verhornte druckempfindliche Stelle gebildet. Ich liebe diesen Job. 

Am ersten Tag wartet die Küche mit einer Vielzahl an kleinen leckeren und raffinierten Portiönchen im Rahmen einer Küchenparty auf. Dazu wurden bunte Strahler und Schwarzlicht in der Küche installiert. Dazu Musik von Tiger Tom Jones. Die Wände des Restaurants sind grün, das Licht in der Küche rot. Das Schwarzlicht sorgt dafür, dass man überhaupt kein Farbempfinden mehr besitzt und man unter ständiger Hypnose ist. Dann gehen die Türen auf. Ungefähr sechzig Personen, die „Chefkoch Haute Volée“ mit Ihren Damen, Sponsoren und grob zusammengefasst - den Sonstigen. 
Einigen hungrigen Damen geht es nicht schnell genug. Sie ziehen uns bereits die Teller weg, noch bevor diese fertig angerichtet sind. Das Beste liefert jedoch ein Zweisternekoch, der zu späterer Stunde, ganz angetan von den ihm kredenzten Speisen und Getränken zu uns in die Küche kommt, sich einen Löffel schnappt und einmal hier in einen Schaum eintaucht, dort an einer Jus nippt, sich fluchs ein Stück St. Pierre vom Tablett mopst und wohlwollend seiner Entzückung über die gelungenen Komponenten freien Lauf läßt. Es ist in jedem Fall einen Schmunzler Wert. 
Kurz vorher habe ich mich wie ein Stalker mit meinem Kochbuch auf dem Weg durch das Restaurant gemacht, auf der Suche nach all den an diesem Werke Beteiligten, die ich allerdings weder kannte noch anhand der Portraitfotos im Buch zuordnen konnte. Der Einfachheit halber quatschte ich einfach jeden an und ließ mir mein Buch signieren. 
Für einen weiteren Lacher wird gesorgt, als man dem TV-Bouillonkönig eine Packung mit Instanthühnerbrühe vor die Nase stellt, gerade in dem Moment als dieser genüsslich in ein Bigorre-Schweinescheibchen biss. Das hat zwar etwas von „Insider“, aber es saß. 

Der Hunger ist gestillt, der Durst noch lange nicht. Der Rittersaal rockt und wir aus der Küche ziehen uns mit den letzten noch offenen Flaschen Champagner in die Kantine zurück. Mit reichlich Schwatzalkohol trank nun noch man ein Glas - und noch ein Glas - und noch ein Glas. Wann die Party endete weiß niemand mehr so genau. Man munkelt, der Küchenchef habe sich gemeinsam mit dem Wächter des Weinkellerschlüssels noch zu später Stunde als Klaviertransporteur versucht und sich angeblich hierbei den Fuß gebrochen. (Tage später bekomme ich noch die Rückversicherung aus erster Hand, dass dem nicht so gewesen sei.)

Nach nur fünf Stunden Schlaf schlage ich erschrocken die Augen auf. Die Luft im Zimmer steht. Der auf dem Nachbargrundstück angesiedelte landwirtschaftliche Betrieb hat just an diesem Morgen seine Gülletore geöffnet. Der stechende Geruch treibt einem die Tränen in die Augen. Duschen, Anziehen und nix wie rüber in die Küche. Das Duschen im Schloss ist ja ein Erlebnis für sich, das sei noch kurz erwähnt. Die haben da diese Regenwaldbrauseköpfe, die einfach nur rundum wohl machen. Als ich in die Küche komme ist Marcel schon da. Schläft der Junge eigentlich nie? Der muss ja noch weniger Schlaf als ich bekommen haben. Aber wer mit Leib und Seele Koch ist, der braucht keinen Schlaf und ist mit seinem Arbeitsplatz verheiratet. 
Nach dem ersten Kaffee und dem Austausch dunkler Gerüchte was sich am Vorabend noch so alles abgespielt habe machte man sich an die Beseitigung der hinterlassener Spuren, die die Serviceleute spät im Schatten der Nacht in der Küche hinterließen. Anschließend heißt es Vorbereitungen für das große Galamenü treffen, für die Großen unter den Größten. 
Nach gestrigem Zwiebelschneiden, Ananaswürfeln, Lauchputzen, Zuckerschotenhacken und Püreekochen ist heute Fleischverarbeitung in größerem Stile an der Tagesordnung. Ich bereite an die 100 Portionen Maispoularden zu, von denen offensichtlich nicht alle Mais gefrühstückt hatten. Etliche Rehrücken müssen ausgelöst und pariert werden. Und wieder eine Schlüsselerfahrung. Um Rehrücken zu parieren benötigt man ein Messer mit gerader und starrer Klinge, so lassen sich die Sehnen mehr oder weniger direkt in einem Rutsch abtrennen. Das wusste ich nicht und murkse lange mit meinem Ausbeiner rum. Und dann sind da noch Scholle, Scholle, Scholle. Die Finger stinken noch jetzt nach Fisch, aber die Filets sind nahezu perfekt geraten. 
Servicebeginn. Es wird ernst. Auch „Chef“ ist merklich angespannt. Es geht immer etwas schief. Die Kunst besteht nur darin, dass niemand merkt, was es ist. Letztlich bestimmen drei von 12 Leuten über Gelingen oder Misslingen dieses Abends und das sind Chef, Hannah und Marcel. Ich denke alle anderen, mich eingeschlossen, sind stolz an solch einem Abend teil der Brigade sein zu dürfen. Nach dem Dessert löst sich die Spannung bei allen merklich. Schaulaufen der Service- und Küchenbrigade. Standing Ovation, der nicht enden will. Schon cool. Ist nur etwas dumm gelaufen, da wir uns wie Orgelpfeifen aufstellen sollten und so war ich der Dritte in der Reihe. Einer Reihe, die nichts mit der wirklichen Rangordnung zu tun hat. 
Für den krönenden Abschluss des Abends sorgt dann ein Azubi, der sich beim Abtransport des ganzen Drecks eine ganze Ladung Schokoladenschaumsoße über die Jacke gießt. 

Die zwei Tage waren der Kracher. Ich war wieder einmal völlig in meinem Element. Wieder in der Routine beim Schnippeln, zerlegen, parieren, klopfen und panieren. Das bereitet mich perfekt auf das Weihnachtsmenü vor, dass ich dieses Jahr Eltern, Geschwister und Freunden der Familie in gelernter Manier servieren werde; und sie werden Hunger haben.

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